Traumlos, Band 1: Im Land der verlorenen Seelen (German Edition)
entscheidet alles. Nach seiner Antwort wird sie wissen, ob es eine Möglichkeit gibt, Caleb zu retten. Ob sich ihre Reise gelohnt hat und sich die Regierung ändern wird. Bedächtig legt Jonathan Keisar den Kopf schief und wiegt ihn hin und her. Hailey beobachtet währenddessen seine Augen. Sie sind tiefblau und scheinen unendlich.
»Nein«, sagt er schließlich. »Diese Geschichte ist ihm höchsten Maße bedauerlich. Ich dachte, dass wir stets im Sinne aller gehandelt und das Volk vor den Seelenfressern beschützt haben. Dabei hätten wir es vor uns beschützen sollen.«
Hailey weiß nicht, was sie entgegnen soll. Zu gebannt ist sie von seiner dunkelblauen Iris, von seinen geschmeidigen Bewegungen, dem wissenden Lächeln.
»Wohl wahr«, bringt sie schließlich hervor. Ihr wird schwindelig.
»Nun, es ist nie zu spät, zur Einsicht zu gelangen. Ich werde anordnen, dass dein Freund gesucht und hergebracht werden soll. Da von Traumlosen anscheinend keine Gefahr ausgeht, kann ich dies mit gutem Gewissen verantworten.«
Hailey reibt sich über die Augen, sie kann es noch immer nicht glauben.
»Sie sind also von der Richtigkeit meiner Geschichte überzeugt?«
»Natürlich werde ich noch selbst einige Tests anordnen lassen. Solange würde ich euch bitten, hier zu bleiben. Nur zur Sicherheit.«
Ein flaues Gefühl breitet sich in ihrem Magen aus, aber sie nickt.
»In Ordnung. Auf dem Gang sind noch Freunde von mir und ...«
»Ich weiß«, unterbricht er sie. »Das Pärchen wurde bereits in ein Zimmer gebracht. Friedolin wartet vor der Tür.«
»Aber wann?«
Er hält ein kleines Gerät hoch auf dem eine Reihe von Buchstaben abläuft.
»Mir wird hier oben alles mitgeteilt. Sie wurden aufgegriffen und ich habe mir gleich gedacht, dass sie zu dir gehören. Du warst so in deine Geschichte von den Seelenfressern vertieft, dass du es gar nicht mitbekommen hast.«
Hailey runzelt die Stirn. Irgendetwas an ihm kommt ihr merkwürdig vor. Er wirkt wie ein Raubtier, das auf der Lauer liegt.
»Vor der Tür warten Friedolin und zwei Wächter auf dich. Sie bringen euch in ein gemütliches Quartier. Solange werde ich versuchen, deinen Freund zu finden. Sobald ich ihn habe, lasse ich ihn zu dir bringen.« In einer geschmeidigen Bewegung steht er auf, umrundet den Tisch und streckt ihr die Hand entgegen. »Es war sehr nett, dich kennengelernt zu haben. Du hast wirklich viel von deinem Vater.«
»Meinem Va –?« Mehr bringt sie nicht hervor, denn er schiebt sie rigoros aus dem Raum und schließt die Tür. Wolf sieht sie verwirrt an.
»Hailey, diese Wächter ...«
»Wissen Bescheid. Jonathan Keisar ist auf unserer Seite. Er lässt Caleb suchen und zu uns bringen. Außerdem macht er einige Tests, um meine Aussagen zu überprüfen. Wir haben es geschafft, Wolf.« Sie lächelt ihn glücklich an. »Wir haben es wirklich geschafft.«
Sobald die Tür hinter Hailey ins Schloss gefallen ist lacht Jonathan Keisar hysterisch los. Dieses kleine, naive Mädchen hat ihn wirklich amüsiert. Sicher, er hätte sie auch gleich auslöschen können, dafür wäre nicht viel nötig gewesen. Ein Anruf, ein Schuss und ihr Lebenslicht wäre für immer erloschen. Aber das wäre nicht halb so spaßig wie das, was ihm dank seines neuen Plans bevorsteht.
Selig grinsend fährt er mit seinen Fingern über einen alten Buchrücken. Während sie stotternd und mit tränenfeuchten Augen vor ihm stand, war ihm erneut bewusst geworden, welche Macht er besaß. Ihre Demut und ihre Angst machten ihn stark.
Zufrieden lächelt er in sich hinein. Auch dieses andere Gör, Kira, war ihm ein nutzvolles Spielzeug gewesen. Den Jungen hätte auch jeder andere Geprägte töten können. Aber er wollte Kira ihre Erinnerungen zurückgeben, sobald sie die Leiche ihrer großen Liebe zu ihm gebracht hatte. Dann würde sie realisieren, welch furchtbare Tat sie begangen hatte und wie mächtig er – Jonathan Keisar – ist. Eine Demonstration seiner unglaublichen Allmacht.
Den Jungen als Köder zu benutzen, fiel ihm erst später ein. Hierfür müsste er sich eigentlich bei Hailey bedanken. Wäre sie nicht so lange von der Bildfläche verschwunden gewesen, wären sie beide gestorben und der Spaß viel zu schnell vorbei gewesen.
Genüsslich streckt er sich auf einem der schwarzen Ledersessel aus und beißt in einen Apfel. Er freut sich jetzt schon auf Haileys Gesicht, wenn er ihr sagt, dass sie für den Tod ihrer beiden Freunde verantwortlich ist.
Im Geiste malt er sich ihren
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