Traumlos, Band 1: Im Land der verlorenen Seelen (German Edition)
zu ihm zurück«, platzt es aus ihr heraus. Schon als die Worte über ihre Lippen huschen, könnte sie sich dafür ohrfeigen.
Ihr Verfolger hebt amüsiert die Augenbrauen.
»Aber ich stecke doch gar nicht in Schwierigkeiten?«
Es dauert einen Moment, bist Hailey den Zusammenhang begreift. Sie schnaubt empört.
»Etwas eingebildet, ja?«
»Ich bin mir lediglich der Realität bewusst.«
»Ach? Und wie sieht diese Realität aus?« Gegen ihren Willen entspannt Hailey sich ein wenig. Ihre Muskeln entkrampfen sich und ihre Hand lockert den Griff um die Scherbe. Warmes Blut fließt aus den Schnitten und tropft auf den grauen Boden, aber Hailey achtet nicht darauf. »Weshalb hast du mich verfolgt?«
»Der Bezirk ist vielleicht groß, aber die Einwohnerzahl gering. Ich weiß genau, wer hier wohnt und du«, er zeigt mit dem Zeigefinger auf sie und lächelt verschmitzt, »gehörst nicht dazu. Also bin ich meiner Pflicht als Wächter nachgegangen und dir gefolgt. Immerhin muss ich wissen, wenn sich nicht autorisierte Personen hier aufhalten.«
Bei dem Wort Wächter zuckt Hailey zurück. Sofort sind sämtliche Muskeln wieder angespannt.
»Du bist also doch ein Wächter.«
»Sag das nicht so vorwurfsvoll. Ich habe nie behauptet, dass ich keiner bin. Außerdem bin ich nicht wirklich einer.«
»Wie kann man denn bitte nicht wirklich ein Wächter sein?«, fragt Hailey und legt möglichst viel Verachtung in ihre Stimme.
»Ausbildung«, erwidert er erstaunlich ruhig und kommt einen Schritt näher.
»Ausbildung?«
Hailey kann nicht glauben, was sie hört. Die Ausbildung des Wächters steht prinzipiell jedem offen, jedoch gehen nur sehr wenige diesen Weg. Die Beweggründe hierfür wird sie nie verstehen. Bis jetzt ist sie deshalb noch nie einem Wächter in Ausbildung begegnet.
»Ja. Auch Monster müssen ausgebildet werden.«
»Aha«, bringt sie tonlos hervor. »Und jetzt willst du mich ausliefern?«
»Ausliefern?« Er zieht überrascht die Augenbrauen nach oben.
»Tu nicht so. Weshalb bist du mir sonst gefolgt? Aber denke nicht, dass ich kampflos aufgeben werde.«
Zur Untermalung ihrer Drohung hebt sie die Scherbe nach oben.
»Ehrlich gesagt, weiß ich gar nicht, weshalb ich dir gefolgt bin.« Er zuckt mit den Schultern als wäre es für ihn vollkommen normal, entflohene Mädchen durch Randbezirke zu jagen. »Ich war wohl einfach neugierig. Aber wie ich sehe hat sich die Verfolgung gelohnt: Von vorne siehst du sogar noch hinreißender aus.«
Hailey schießt vor Wut und Scham das Blut in den Kopf. Ihre Wangen erhitzen sich deutlich und zeigen ihr so, dass sie errötet. Peinlich berührt, starrt sie ihn an.
»Wie kannst du es nur wagen?!«, zischt sie.
»Oh, dein Freund scheint dir nicht so oft Komplimente zu machen, wenn du schon bei solch einer kleinen Feststellung rot wirst wie das frische Blut, das dir im Übrigen gerade die Hose versaut.«
Haileys Blick wandert auf die Flecken, die sich langsam immer weiter auf ihrem Oberschenkel ausbreiten. Fluchend reißt sie die Hand in die Höhe.
»Zu spät, das bekommst du nie wieder raus.«
»Es kann dir doch egal sein, ob meine Hose sauber ist.« Hailey weiß nicht, was sie machen soll. Die Situation ist so bizarr, dass sie sämtliche Kontrolle über ihr Mundwerk verliert. Ein auszubildender Wächter steht ihr in einem Randbezirk gegenüber und unterhält sich mit ihr über die Auswaschbarkeit von Blutflecken auf Jeansstoff. Wären die Umstände nicht so prekär, würde sie am liebsten laut loslachen.
»Wo du Recht hast ... Irgendwie gefällt es mir sogar. Es verleiht dir einen verwegenen Ausdruck.« Er streicht sich mit einer Hand über sein Haar und zwinkert ihr wohlwollend zu.
»Jetzt reicht es! Sag mir, was du möchtest. Ich bin diese Spielchen leid.« Vor Wut rutscht ihre Stimme zwei Oktaven höher, was Hailey zu ihrer Bestürzung noch lächerlicher wirken lässt. Sie holt tief Luft und fügt in normaler Tonlage ein Sofort hinzu.
»Wie gesagt: Ich bin Wächter in der Ausbildung und du ein fremdes Mädchen, das meine Aufmerksamkeit erregt hat. Also bin ich dir gefolgt. Mehr gibt es nicht zu sagen.«
»Und was hast du jetzt mit mir vor?«
Hailey macht sich auf das Schlimmste gefasst. In Gedanken überrumpelt sie ihn und rammt die Glasscherbe in seine Schulter. Blut spritzt aus der Wunde und benetzt sein weißes Oberteil. Seine türkisfarbenen Augen weiten sich verdutzt und Hailey nutzt das Überraschungsmoment, um zu entkommen.
»Das weiß ich ehrlich gesagt
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