Traumlos, Band 1: Im Land der verlorenen Seelen (German Edition)
er vorhat.
»Mutig«, gesteht Wolf anerkennend. »Aber meine Geschichte ist zu lang, um sie dir jetzt in allen Einzelheiten zu erzählen.«
»Ich wüsste gerne alle Einzelheiten«, unterbricht Hailey ihn. Ihre Miene verrät ihre Ungeduld und Angst.
»Lass es mich anders formulieren.« Wolf legt einen Zeigefinger an seine Lippen, bis er schließlich die Hand in die Höhe reißt, als habe er eine zündende Idee gehabt. »Ich möchte dir die Geschichte einfach nicht komplett erzählen. Für unsere Zusammenarbeit ist nur eines wichtig: Ich sollte eigentlich nicht hier sein und möchte dir deshalb helfen.«
Hailey wedelt mit der Hand in der Luft um mehr Informationen aus ihm herauszubekommen.
»Ich finde dich einfach süß. Zufrieden?«
Mit dieser Antwort hat Hailey nicht gerechnet. Sie lässt ihre Hände sinken und starrt Wolf kommentarlos an. Dieser verdreht die Augen.
»Was?«
»Das ist alles? Du findest mich süß und riskierst deshalb dein Leben? Tut mir leid, aber das kann ich irgendwie nicht glauben.«
»Du bist gar nicht so naiv wie ich dachte.«
Die junge Frau weiß nicht, ob sie das als Kompliment auffassen soll.
»Sag mir einfach die Wahrheit.«
»Ich habe dir soviel gesagt, wie ich zu sagen bereit bin. Ich sollte nicht hier sein. Entweder du nimmst das als Begründung oder ich lasse dich gehen und du suchst dir selbst einen Weg hier raus. Viel Spaß!«
Er dreht sich um und hebt die Hand zum Abschiedsgruß. Hailey ist sich darüber bewusst, dass dies eine provozierende Geste ist, auf welche sie eigentlich nicht eingehen sollte. Dennoch ruft sie ihm hinterher.
»Wenn er die Wahrheit sagt, ist er meine Karte in die Freiheit« , ist das Einzige, was sie denken kann. Wolf geht noch einige Schritte weiter, dann bleibt er stehen und blickt über die Schulter.
»Wir sind also im Geschäft?«
»Geschäft?«
»Ich helfe dir hier raus und im Gegenzug verrate ich dich nicht.«
Hailey schüttelt verständnislos den Kopf.
»Obwohl ich nicht weiß, welchen Vorteil du davon hast ... Ja, wir sind im Geschäft.«
Ein Siegergrinsen breitet sich auf Wolfs Gesicht aus.
»Ich würde dir ja fast anbieten, dass wir das Ganze mit einem Handschlag besiegeln, aber ...« Er rümpft angewidert die Nase und deutet auf den Blutfleck auf Haileys Jeans. »Nicht böse gemeint.«
Unwillkürlich muss Hailey lächeln. Etwas in seinem Blick sagt ihr, dass sie ihm vertrauen kann. Zumindest, bis sie den Randbezirk weit hinter sich gelassen haben. Danach wird sie ihn irgendwie loswerden.
»Schon in Ordnung.«
Zielsicher geht er die Gasse entlang und bedeutet Hailey mit einer kurzen Handbewegung, ihm zu folgen. Ergeben trabt sie ihm nach.
»Wo genau geht es jetzt hin?«
»Das weiß ich noch nicht so genau.«
Abrupt bleibt Hailey stehen und zertritt dabei einen leeren Karton. Von dem Geräusch aufgeschreckt, blickt Wolf über seine Schulter.
»Was ist los?«
»Du bietest mir deine Hilfe an, weißt aber noch nicht einmal, wie du mich hier raus bekommst?«
Er zuckt mit den Schultern.
»Irgendeinen Weg werde ich schon finden. Wenn du mit mir unterwegs bist, fallen die Kontrollen nicht so scharf aus.«
»Ich habe Blut auf meiner Hose, bin eine Unbekannte«, erinnert sie ihn mit schriller Stimme. »Wie konnte ich nur so dämlich sein und nur einen winzigen Augenblick lang glauben, dass mir ein Wächter hilft? Du wirst mich ausliefern, nicht wahr?«
Wolf seufzt.
»Du bist ziemlich anstrengend, wenn du so misstrauisch bist, weißt du das?«
»Ich habe auch allen Grund dazu«, zischt Hailey, aber ihr Herzschlag hat sich etwas beruhigt.
»Okay, hör mir zu: Heute ist Montag, also habe ich meinen freien Tag, wie du schon bemerkt hast. Dann fahre ich oft in die Stadt, weshalb das niemandem merkwürdig vorkommen sollte. Du wirst dich auf meiner Rückbank verstecken, bis wir den Zaun passiert haben. Besser?«
Hailey denkt fieberhaft nach, bis sie schließlich mit einem kleinlauten Besser antwortet. Sein Plan klingt zu sicher, um Widerspruch einzulegen. Als die Zustände der Häuser um sie herum langsam besser werden und sie sich der Hauptstraße nähern, hält Wolf inne.
»Warte hier, bis ich mit meinem Auto zurück bin. Sobald ich am Gehsteig halte, steigst du ein.«
Noch bevor Hailey etwas erwidern kann, ist er ins helle Tageslicht hinausgetreten. Aus Angst vor den Wächtern folgt sie ihm nicht, sondern drückt sich möglichst unauffällig hinter einen Müllcontainer, über dessen Rand hinweg sie die Straße noch erkennen
Weitere Kostenlose Bücher