Traumlos, Band 1: Im Land der verlorenen Seelen (German Edition)
fühlen, während Caleb leidet. Sie will ihm helfen.
Sie hebt ihren Kopf und studiert Wolfs Gesicht. Seine kantigen Züge, seine Bartstoppeln, die türkisfarbenen Augen.
»Du bist ein Wächter, kannst du uns nicht helfen?«
Am Rande ihres Bewusstseins nimmt Hailey wahr, dass Jules und Macy entgeistert zurückweichen.
»Ich bin ein Wächter in Ausbildung«, murmelt Wolf und sieht die beiden entschuldigend an.
»Ein Wächter in Ausbildung, der mit einem fremden Mädchen geflohen ist, um ihr zu helfen«, erinnert Hailey ihn hoffnungsvoll und zaubert ihm so ein kleines Lächeln ins Gesicht.
»Vielleicht kann ich dir wirklich helfen.« Er runzelt unbehaglich die Stirn. »Aber versprich mir, dass du nicht über mich lachst.«
Hailey blinzelt ungläubig.
»Ich soll nicht über dich lachen?«, vergewissert sie sich.
»Ja. Egal, was du über mich erfährst. Lach mich nicht aus. Das ist meine Bedingung.«
»Hailey, der Kerl spinnt doch!«, ruft Macy und zieht ihre beste Freundin von ihm weg. »Ein Wächter! Du kannst ihm nicht vertrauen. Wieso hast du ihn überhaupt hierher gebracht?«
»Er hat mir geholfen, aus dem Randbezirk zu fliehen.«
»Ohne jeden Grund?«
Hailey zuckt mit den Schultern.
»Ich kenne den Grund nicht.«
Macy wirbelt herum. In ihren blauen Augen lodert ein bedrohliches Feuer.
»Warum hast du ihr geholfen?«
»Ihr würdet mir sowieso nicht glauben«, murmelt Wolf und steckt seine Hände in die Hosentaschen. Die Geste lässt ihn kleiner und verloren wirken. Hailey legt ihre Hand auf Macys Schulter.
»Beruhige dich.«
»Nein«, zischt Macy und schüttelt ihre Hand ab. »Nenn uns deinen Grund.«
»Warum ist dir das so wichtig?«, flüstert Hailey angespannt.
»Weil ich ihm nicht vertraue. Also Wolf, weshalb bist du hier?«
Hilfesuchend sieht er Hailey an, aber sie weicht seinem Blick aus. Schließlich seufzt er.
»Na schön. Aber erwartet keine große Heldengeschichte. Meine Gründe sind egoistisch.«
»Etwas anderes habe ich nicht erwartet«, murmelt Macy, woraufhin Hailey ihr einen warnenden Blick zuwirft. Abwehrend hebt Macy die Hände in die Luft und verdreht die Augen.
»Meine Familie hat eine Tradition, welche ihr vermutlich nicht wirklich versteht. Ich selbst weiß auch nicht, weshalb die Regierung an alten Werten festhält, wenn Innovation so viel besser sein soll. Vor allem im Bezug auf meinen Onkel wurde eine Fehlentscheidung getroffen. Andererseits hält die Regierung nicht, was sie verspricht. Das ist im Übrigen der Grund weshalb ich Hailey geholfen habe: Ich wurde trotz meiner Abstammung für ein Jahr in einen Randbezirk abgeschoben. Das kann ich nicht auf mir sitzen lassen. Damit hat die Regierung mein Vertrauen komplett verspielt.«
»Stopp!«, unterbricht Hailey ihn. »Ich verstehe kein Wort.«
»Aber ich«, mischt Jules sich ein. »Du bist ein Mitglied der großen Wächterfamilien, nicht wahr?« Wütend stellt er sich Wolf gegenüber, so dass er zwischen ihm und Macy steht. »Du solltest besser gehen.« Blanker Hass funkelt in seinen grauen Augen.
»Deshalb gelang uns die Flucht so leicht. Einen Wächter in Ausbildung hätten sie nie ohne Kontrolle ziehen lassen. Aber ein Mitglied einer Großwächterfamilie ...« Hailey bricht ab. »Konnte ich meine wenigen Privilegien nutzen, um der Regierung in den Arsch zu treten. So, wie sie es mit mir gemacht hat.«
»Du hast mir geholfen, um dich an der Regierung zu rächen?«
Wolf zwinkert ihr charmant zu.
»Und weil du wirklich hinreißend aussiehst.«
Hailey ist noch immer zu verblüfft, um zu antworten. Die Großwächterfamilien. Sechs Familien, deren Vertreter die Regierung bilden. Jede von ihnen ist für ein anderes Gebiet zuständig. Jede von ihnen wird von der Bevölkerung ebenso gehasst wie gefürchtet.
Die Spitze bildet die Familie Keisar, welche den Vorsitz und die letzte Entscheidungsmacht innehat. Der Geschichte nach war es diese Familie, welche das berüchtigte Traumkontrollmittel entwickelte und so die Menschheit rettete. Mittlerweile vermutet Hailey, dass sie die Drahtzieher hinter der Verschwörung sind. Die anderen fünf Familien wurden mit der Zeit nach einem für die Öffentlichkeit völlig willkürlichen System gewählt.
Zuerst folgten die Familien Eit und Peningar, Medizin und Finanzen. Danach kam die Familie Donar, welche sich um die Ausbildung der Wächter kümmert.
Menntun wurde dazu berufen, sich um die Bildung der Kinder zu kümmern, während von Wolfstein dafür sorgte, dass das Volk nicht
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