Traumlos, Band 1: Im Land der verlorenen Seelen (German Edition)
hungern musste. Ihnen ist auch die Bildung der Randbezirke zuzuschreiben.
Hailey schluckt.
»Du bist ein von Wolfstein?«
Wolf hält ihrem Blick voller Stolz stand.
»Ich habe kein wirkliches Geheimnis daraus gemacht. Mein Name ist wohl mehr als eindeutig.«
»Wolf von Wolfstein?«, fragt Macy und runzelt die Stirn. »Ehrlich gesagt, finde ich das zu absurd, um es als eindeutig zu bezeichnen.«
»So heiße ich auch nicht.«
»Wie dann?«, hakt Hailey nach.
»Das behalte ich lieber für mich.«
Macy zieht abfällig die Augenbrauen nach oben und rümpft die Nase, sagt aber nichts.
»Du bist ein von Wolfstein und hältst es für unfair, in einem Randbezirk einen Teil deiner Ausbildung absolvieren zu müssen?« Jules reckt sein Kinn in die Höhe. »Ihr seid für die Randbezirke verantwortlich. Euretwegen leben die Menschen dort in großer Armut. Euretwegen ...«
»Falsch«, bellt Wolf und ballt die Hände wütend zu Fäusten. »Meine Vorfahren sind daran schuld, dass es so ist. Ich wurde nicht einmal dazu auserwählt, den Vorsitz irgendwann zu übernehmen. Ich kann absolut nichts dafür. Mach mich nicht für die Taten meiner Familie verantwortlich. Ich bin nicht meine Familie.«
Tödliche Stille. Die Stimmung ist angespannt, der Gesichtsausdruck von Wolf sagt eindeutig, dass Jules zu weit gegangen ist. Schmerz und Hass lodert in Wolfs Augen auf, während Jules demonstrativ Macy beschützt. Hailey zieht sich ein wenig zurück, den Mund geöffnet, um schlichtende Worte zu sprechen, die ihr nicht einfallen wollen.
Macy steht stumm da und betrachtet die Szene mit weit aufgerissenen Augen.
»Könnten wir uns beruhigen und Caleb retten?«, fragt Hailey schließlich zögerlich, weil ihr nichts anderes einfällt. Ihr ist schleierhaft, weshalb die Situation zwischen Wolf und Jules so schnell eskalieren konnte. Ohne den Blick von Wolf abzuwenden, knurrt Jules leise die Frage, wie genau sie sich das vorgestellt habe.
Hailey weiß keine Antwort und schweigt.
»Sie wollte einfach dorthin gehen und der Forderung nachkommen«, sagt Wolf und macht sich nicht die Mühe, die Verachtung in seiner Stimme zu verbergen. »Das habt ihr doch gehört.«
»Fällt dir etwas Besseres ein?«, sagt Hailey trotzig. »Caleb ist dort. Ich muss ihm helfen! Sie foltern ihn und –«
»Vermutlich ist er schon tot«, unterbricht Wolf sie. Sämtliches Blut weicht aus Haileys Gesicht. Auch Macy wird mit einem Schlag kalkweiß.
»Tot?«, wiederholt Hailey irritiert. »Er kann nicht tot sein. Sie haben geschrieben, dass sie ihn foltern und nicht ...«
»Sie haben etwas geschrieben, von dem sie wussten, dass es dich zu ihnen bringen wird.«
Haileys Knie knicken ein. Bevor ihr Oberkörper auf dem Boden aufschlägt, streckt sie ihre Hände nach vorne und federt den Stoß so ein wenig ab. Ihr rechtes Handgelenk knickt dabei schmerzhaft um, doch sie beachtet das unangenehme Pochen nicht.
»Er kann nicht tot sein«, wiederholt sie leise. Allein der Gedanke daran lässt ihr Herz schmerzhaft verkrampfen. Tränen rinnen über ihr Gesicht und tropfen auf den schmutzigen Boden.
»Feinfühlig wie immer. Männer«, brummt Macy und geht vorsichtig auf ihre beste Freundin zu. »Ich bin sicher, dass er noch lebt. Wir werden ihn retten, okay?«
»Es tut mir leid Hailey. Das hätte ich so nicht sagen sollen.« Wolf ist sichtlich bestürzt. Er wendet sich von Jules ab und macht einen Schritt in Haileys Richtung. Sofort stellt Macys Freund sich dazwischen.
»Du hast schon genug angerichtet.«
»Ich rede mit Hailey«, erwidert Wolf brummend. »Hailey? Es tut mir wirklich leid. Ich werde dir helfen, okay?«, fügt er mit samtweicher Stimme hinzu, aber Hailey hört ihn nicht.
In ihrem Kopf laufen furchtbare Bilder ab.
Caleb, blutend, in einer dunklen Ecke liegend. Kira, ebenfalls gefangen, schreiend. Unbestimmte schwarze Schatten. Am Rand ihres Bewusstseins registriert sie, dass das alles nicht der Realität entspricht. Da Hailey noch nie geträumt hat, sind diese Geschehnisse in ihrem Kopf angsteinflößend und fremd. Sie wirken so real, dass Hailey für einen Augenblick vergisst, dass sie unecht sind.
Bebend kauert sie sich zusammen, schlingt die Arme um ihren Oberkörper und schluchzt.
»Hailey?« Zaghaft berührt Macy ihre Schulter und holt Hailey damit in die Realität zurück. Sie atmet heftig auf, als habe sie für eine zu lange Zeit den Atem angehalten.
»Ich glaube, ich hatte einen Albtraum«, flüstert Hailey tränenerstickt.
»Das war ein
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