Traummann in Klischee - ein heiterer Frauenroman
Frau in ihrer Sexualität von Dr. Dr. … . oder wie aus einer dieser rührseligen Vorabendserien. Allein schon die Namensgebung spricht Bände, wie beim Hochadel. Diese Geschichte würde ein absoluter Schlager unter den Ein-Euro-Heftchen am Zeitungskiosk werden, dachte ich mir.
Danach und der Abwechslung halber hämmerte ich jedoch noch ein abstraktes Erzählstück in meinen Computer, nämlich den misslungenen Versuch eines sexuellen Abenteuers. Das wahre Leben eben, eingefangen und abgespeichert unter dem neu eröffneten Ordner: Eros.
Als ich gegen vier Uhr meinen Rechner ausschaltete, war ich für eine Sekunde eine gefeierte Autorin auf dem Weg zu Ruhm und Anerkennung.
Nachdem ich mich ins Bett gelegt hatte und in einen verworrenen Schlaf fiel, war ich nur noch eine mittellose Person am Rande des Abgrundes.
Der Montagmorgen versprach ein paar Sonnenstrahlen.
Die letzten Tage unter Tantchens Fittichen. Ich kam gehetzt und übermüdet in der Kanzlei an, Tante wartete bereits auf mich und bestellte mich zu sich an den riesigen Arbeitstisch. Sie wirkte hinter ihm sitzend, stets wie eine, nein, die letzte Instanz. Ein Gefühl des langsamen Schrumpfens meiner Person bemächtigte sich meiner, als sie mir offerierte, mich zu setzten.
„Morgen Vormittag hast du frei. Du gehst zu folgender Adresse und stellst dich bei der Dame des Hauses als Gesellschafterin vor. Sie ist eine einstige Klientin von mir, die mir noch etwas schuldig ist.“
Leonore guckt mich aufmunternd an, und ich blickte ihr dankbar in das faltenreiche Gesicht.
Ich war immer der Meinung gewesen, die Geschichten über die Charlottenburger Witwen seien von Linken geprägte 80er Jahre-Phantasien.
Abrechnung mit dem alten Verein und so. Aber sie existieren wirklich.
Ehrlich, es gibt sie. Ich weiß das jetzt.
Ich bin nicht sehr regelmäßig in anderen Teilen der Stadt. Meist komme ich nicht weiter als bis Kreuzberg, der Kneipen wegen, oder bis Zoo und durchfahre den Westen einzig, um nach Potsdam zu gelangen. Irgendwie bleibt jeder Berliner, auch der Zugereiste, die meiste Zeit ja doch in seinem Kiez.
Darum hat Berlin auch so etwas Dörfliches. Nicht weltstädtisch, nicht so wie London oder New York, ganz zu schweigen von Singapur.
Berlin ist zwar cool, eben Berlin. Doch trotz all seiner herausragend touristisch geprägten Bezirke besitzt Berlin die Gabe, den Schuster bei seinen Leisten zu lassen. Mein Arbeitsplatz liegt in Mitte so wie viele der von mir regelmäßig besuchten Theater. Ich wohne zwischen dem Prenzlauer Berg und Friedrichshain, und meine wichtigsten Restaurants, Kinos und Geschäfte, selbst die meisten Freunde leben in meinem Stadtbezirk, warum sollte ich woandershin? Das würde sich nun ändern, es ist nie zu spät, seine nahe Umgebung zu erforschen.
Ich war in einer dieser Berliner Villengegenden gelandet, in der noch alte Kastanienbäume die Wege begrenzen und ein Duft nach Blumen, weniger nach Abgasen, durch die Straßen zieht. Zuerst glaubte ich, diese Villen seien einzig im Gebrauch von Anwaltskanzleien, Kleintierpraxen oder obskuren Heilslehren-bringenden Sektierungen.
Aber nein, es gibt tatsächlich Menschen, die hier wohnen und sich ganz offensichtlich Miete beziehungsweise Unterhaltskosten für diese Villen leisten können, und das sind nicht wenige. Hier bot sich mir der Anblick einer fremden, anderen Welt, der Welt der Berliner Hochbourgeoisie, des sogenannten mittleren Geldadels. Ich stand vor einem Haus, inklusive ausgebautem Dachstuhl, drei Stockwerke, und alle im Besitz einer einzigen Familie, beziehungsweise einer Person, denn es stand nur ein Name am Klingelknopf, der von Helene Kämpfert, geb. Hauser. Musste mir dieser Name etwas sagen? Das Haus hatte eine überdachte Terrasse, einen kleineren Balkon, einen wunderschönen Erker und ein putziges spitzes Türmchen. Das Turmzimmerchen. Rapunzel hätte sich hier gewiss heimisch gefühlt.
Schwarze Balken zogen sich durch die Außenwände, und an einer Seite prangte Wein bis übers Dach. Der kleine Vorgarten war leidlich gepflegt, eine gewollte Unordnung wie es schien. Möglicherweise war dem sächsischen oder türkischen Hausmeister angeordnet worden, dem ganzen Gartengeflecht ein Bild natürlicher Erhabenheit zu verpassen, die Symbiose von Natur und Mensch.
Ich klingelte und gelangte auch sofort durch das leicht geöffnete Gartenportal auf einen schmalen Weg hin zur Eingangstür, die sich ohne mein weiteres Zutun wie von selber zu öffnen schien. Ich
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