Traummann in Klischee - ein heiterer Frauenroman
dieser Schicksalsschlag, und plötzlich wurde ich Ziehvater, ohne Frau. Und nun hab ich meinen Lebenszenit bereits überschritten. Und ich suche immer noch oder schon wieder nach dem Sinn. Nach meiner persönlichen Freiheit.“
„Die haben Sie!“, widersprach ich. Er schüttelte den Kopf.
„Hab ich die Freiheit loszuziehen, habe ich die Freiheit zu lieben, besitze ich die Freiheit, selbstständig über mich zu entscheiden? Nein, denn ich habe Verantwortung zu tragen, nicht nur für mich!“
„Also bitte, nach Australien können Sie die Kinder doch auch mitnehmen und drei Wochen Auszeit mit Vera oder einer anderen Muse, das ließe sich doch sicherlich arrangieren! Die Kinder sind es nicht, die Ihnen bezüglich einer echten Liebe Steine in den Weg legen.“
Ich betonte die „echte Liebe“ ein wenig zu sehr und versuchte daher auszuweichen.
„Und außerdem, würden Sie heute noch so losziehen wollen und können, wie es früher möglich war?“, meine Bemühung das alles ein wenig banal abzutun.
„Sie verstehen nicht ganz, was ich meine, oder?“
Er schüttelte seinen Kopf, stand auf und begab sich in Richtung seiner neu erworbenen Strandmatte, die er abseits der Kinder ausgerollt hatte.
Tatsächlich aber verstand ich ihn. Ich verstand ihn wirklich. Doch war ich seine Angestellte, nicht seine Therapeutin. Er war schlichtweg in der männlichen Midlifecrisis angekommen. Die Wechseljahre des anderen Geschlechts.
Doch so einfach war es dann wohl auch wieder nicht. Immer hinterfragen wir Menschen uns. Zumindest diejenigen, die zur Gruppe derer mit Depressionsneigung neigen. Wir baden in unserem kleinen Selbstmitleid, in einer Unzufriedenheit, denn hinter dem Horizont, da ist es möglicherweise viel besser. Und die Suche nach der Sinnhaftigkeit des Daseins, die hörte mit 40 offenbar immer noch nicht auf.
Scheibenkleister, dabei hatte ich gedacht, dann wär endlich damit Schluss.
Er hätte nicht mit mir darüber reden dürfen, ich war die Verkehrte hierfür. Das war zu intim, zu nah, zu sehr seins. Hiermit hatte er eine unsichtbare Grenze überschritten, und ich musste so agieren, als ob ich nichts kapiert hätte, sonst würde ich mir mein eigenes Angestelltengrab schaufeln. Er war auf der Suche nach seiner, vielleicht auch nur einer, wahren Liebe, die er verloren hatte und zurücksehnte.
Aber welch ein Mann wie Rasmus Brügge würde sich diese Enthüllung einer Untergebenen im nüchternen Zustand zugestehen, ohne sein Gesicht zu verlieren? Keiner!
Die Sehnsucht und die Leere in einem Menschen haben die Macht zu zerstören, auf die eine oder andere Weise. Das lässt sich mit einer gewissen Flapsigkeit übertünchen, mit einer Lebenstrivialität. Zumindest macht dies einiges leichter. Mir und seiner Umwelt gegenüber sollte er es bitte dabei belassen. Er war kein Freund, er war mein Arbeitgeber, ich wollte über seine Oberflächlichkeit urteilen, seinen Spott, seine Raubeinigkeit, nicht in sein Herz blicken. Ich wollte schließlich keine zwischenmenschlichen, keine freundschaftlichen Gefühle für ihn entwickeln. Auf keinen Fall.
Ich stand auf und legte mich zu den Kindern. Die Ostsee rauschte. Das Feuer am Strand war erloschen. Einzig ein leises Lachen, das verliebte Kichern einer jungen Frau, drang bis zu mir. Ich drehte mich zur Seite und versuchte einzuschlafen.
Der alte knorrige Rasmus verlor seine Maske aus Zynismus und offenbarte einer ihm vermeintlich gleichgültigen Frau für einen kurzen Moment seine Unsicherheit.
Ha! Nur nicht zu tief gehen, Toni, sondern sich innerlich ein Halleluja feiern. In dieser Nacht schlief ich tatsächlich friedlich und traumlos.
11. Kapitel - Das Postkartenhaus
Die Kinder erwachten mit der Aufgeregtheit eines hinter sich gebrachten Abenteuers. Die erste Nacht am Strand als Gestrandete. Rasmus rieb seinen maladen Rücken und überging geflissentlich seinen getätigten Monolog der Nacht zuvor, so wie ich es ebenfalls tat. Stattdessen war er ganz der Alte, grummelnd und ein wenig bärbeißig. Wunderbar, das ersparte mir rückwirkend zu reagieren oder anderweitig zu agieren. Alles wie gehabt.
„Ab ins Auto, Unterkunft suchen!“
Die leere Weinflasche landete in einem Mülleimer. Ich hasse Leute, die ihren Abfall am Strand liegenlassen.
Es wurde eine aufreibende Tortur, denn die zur Verfügung stehenden Unterkünfte entpuppten sich allesamt als untauglich, zumindest in den Augen unseres Heerführers. Entweder entsprach die Zimmeraufteilung nicht ganz
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