Traummann mit Zuckerkuss
Cremeglasur sie so lange geschlagen hatte, dass sie wie ein Wölkchen darauf saß. Er war wirklich himmlisch. Oder eben einfach nur ein kleiner Kuchen, dachte sie.
» Von wegen Hobby«, knurrte sie dann wütend. Sie kam gerade rechtzeitig zum Laden zurück, um zwei Schulkinder zu erwischen, die mit je zwei Cupcakes in der Hand das Weite suchten.
» Macht, dass ihr wegkommt, ihr kleinen Mistkerle!«, brüllte sie ihnen hinterher. Sie war erleichtert, dass sie wenigstens die Kasse abgeschlossen hatte.
Der Mann aus der Eisenwarenhandlung marschierte an ihr vorbei und sah sie merkwürdig an.
» Hallo!«, grüßte Issy und versuchte, ihre normale Stimme wiederzufinden. Er blieb stehen.
» Hallo«, sagte er. Er hatte einen leichten Akzent, den Issy schlecht einordnen konnte.
» Wir haben hier den neuen Laden eröffnet«, erklärte sie. » Hätten Sie vielleicht gern ein Stück Kuchen?«
Ihr fiel auf, wie elegant er gekleidet war, mit Anzug, schmaler Krawatte, Überzieher, Halstuch und sogar einem Homburghut. Das Ganze wirkte recht altmodisch. Eigentlich hatte sie ihn sich eher im braunen Overall vorgestellt.
Er beugte sich über die Kuchendose und suchte sich den perfektesten Cappuccino-Cupcake aus, den er anmutig mit zwei Fingern herausnahm.
» Ich bin Issy«, stellte sie sich vor, nachdem er seine Wahl getroffen hatte.
» Angenehm«, antwortete der Mann und ging dann zu seinem Laden hinüber, bei dem wie immer die Rollläden heruntergelassen waren. Seltsam.
» So schnell lasse ich mich nicht unterkriegen«, schwor Issy selbst dann noch, als Pearl ungewöhnlich geknickt vom Kindergarten zurückkam. Sie brachte mehr als die Hälfte der Cupcakes wieder mit. » Joshua darf keinen Zucker essen«, berichtete sie, » und Tabitha hat Lebensmittelallergien. Und Ollys Mutter wollte wissen, ob das Fair -T rade-Mehl ist.«
» Hier ist alles Fair Trade«, sagte Issy genervt.
» Das habe ich ihr auch erklärt, aber sie hat vorsichtshalber trotzdem abgelehnt«, murmelte Pearl dumpf.
» Egal«, rief Issy, » wir machen weiter!«
Am nächsten Morgen brach Issy zur Stoke Newington High Street auf, um dort in jedem Laden Handzettel und Kuchen zum Probieren dazulassen. Das war allerdings nicht so einfach wie gedacht. Handzettel für Yoga, Babyturnen und -massagen, eine Zirkusschule, Jazzkonzerte, Tangounterricht, Biogemüsekisten, Strickgruppen, Veranstaltungen in der Bücherei, Aufführungen von Theatergruppen aus dem Viertel und Spaziergänge in der Natur belegten in den kleinen Shops bereits jeden freien Zentimeter. Die ganze Welt schien mit Flyern tapeziert zu sein, dachte Issy, und Zacs zauberhaftes, elegantes Design wirkte im Vergleich zu all dem Neonorange und grellen Gelb auf einmal fade und farblos. Die Leute in den Geschäften kamen ihr apathisch und gleichgültig vor, obwohl sie den Kuchen natürlich gerne annahmen. Issy nutzte die Gelegenheit, um sie sich einmal aus der Nähe anzuschauen. Das waren Menschen, die wie sie von ihrem eigenen Unternehmen geträumt und den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt hatten. Sie wünschte wirklich, die würden nicht so müde und unglücklich aussehen.
Nachdem sie etwa ein Drittel der Straße abgeklappert hatte, stürmte auf einmal eine wütend wirkende Frau mit ungekämmten Haaren und in einem Batik-T-Shirt auf sie zu, die sich ihrem Gesichtsausdruck nach verdammt wichtig vorkam.
» Was machen Sie da?«, stellte sie Issy zur Rede.
» Ich verteile Gratisproben für mein neues Café«, erklärte Issy mutig und hielt ihr die Dose hin. » Möchten Sie mal probieren?«
Die Frau verzog das Gesicht. » Kuchen mit Raffinadezucker und Transfetten, die uns zu übergewichtigen Fernsehsklaven machen? Wohl eher nicht!«
Auf Desinteresse war Issy schon gestoßen, jetzt wurde sie wegen des Cafés aber zum ersten Mal offen angefeindet.
» Okay, dann eben nicht«, sagte sie und setzte den Deckel wieder auf die Dose.
» Sie können das hier nicht einfach so verteilen«, behauptete die Frau. » In dieser Straße gibt es noch andere Cafés! Wir sind schon viel länger hier als Sie, also verziehen Sie sich gefälligst!«
Issy drehte sich um, und tatsächlich– in den Cafés und Teehäusern standen Leute in der Tür und starrten sie feindselig an.
» Und wir sind eine Kooperative«, fuhr die Frau fort. » Bei uns arbeitet man partnerschaftlich zusammen. Alles ist vollwertig und aus fairem Handel. Wir vergiften keine Kinder, und so wollen das die Leute aus der Gegend auch. Also können
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