Traummoerder
erkundigte er sich unnachgiebig.
Dermot leckte sich die Lippen – sie waren staubtrocken. »Nein. Das habe ich nicht getan. Verstehen Sie – er hat angedeutet, dass er Neela in seine Gewalt gebracht hätte und ihr etwas antun …«
»Ich würde meinen, das wäre erst recht ein zwingender Grund.«
»Das habe ich meinem Freund Nick Hoyle überlassen. Ich fuhr, so schnell ich konnte, zu dem Gebäude, um zu sehen, was ich tun kann. Ich persönlich, verstehen Sie?«
»Na ja, das ergibt Sinn.« Das Lächeln war wieder an seinem Platz. »Aber wie genau hat er Ihre Frau bedroht?«
»Er sagte, er würde ›ein letztes Statement« auf dem People’s Bank Building abgeben. Das wertete ich als Selbstmordankündigung. Dann sagte er, dass Neela möglicherweise mit ihm ein ganz ähnliches Statement abgeben würde. Das klang so, als hätte er sie bei sich – als Geisel.«
»Er hat den Namen Ihrer Frau genannt? Er kannte ihren Namen?«
»Ja.«
»Und Sie hatten Angst, dass er sie gekidnappt haben könnte?«
»Das stimmt. Ich meine, er sah alt aus, aber …«
»Sie haben diesen Mann gesehen?«
»Ja. Als er das Manuskript ablieferte.«
»Zu der Zeit wussten Sie, dass er der Autor des Tagebuchs war, nicht nur der Bote?«
»Nein, zu der Zeit wusste ich das noch nicht.«
»Beschreiben Sie ihn.«
»Ich würde sagen, er war in den Sechzigern und vielleicht ein wenig gebrechlich. Eingefallene Wangen. Bartstoppel. Flammend rotes, fast orangefarbenes Haar. Und er trug einen schmuddelig braunen langen Reitermantel.«
»Das klingt nicht so, als wäre er ein starker Mann gewesen. Und Sie trauten ihm zu, Ihre Frau entführt zu haben?«
»Ich hatte Angst. Ich konnte nicht vernünftig denken. Er schien zu wissen, wo sich Neela aufhielt, und sie zu bedrohen.«
»Ich nehme an, Sie sind zu spät bei der Bank angekommen, um ihn vor dem Selbstmord zu bewahren.«
»Ja. Als ich ankam, stand er bereits auf dem Dach, und er … sprang.«
»Ließ die Polizei lange auf sich warten? Nachdem Mr. Hoyle sie verständigt hatte.«
»Nein, sie waren schnei! da und sperrten den Bereich ab.«
»Und Sie haben ihnen von dem Telefongespräch erzählt, das der Mann kurz vor seinem Selbstmord mit Ihnen führte?«
»Nein, davon habe ich nichts gesagt.«
»Warum nicht?«
»Weil ich nicht wollte, dass jemand von Mr. Arnold erfuhr oder von der Existenz das Tagebuchs.« Mittlerweile war Dermot so nervös, dass er viel zu schnell redete.
»Weil Sie es bereits gelesen und sich vorgenommen hatten, sich das Manuskript zu eigen zu machen? Habe ich recht?«
Dermot hatte ein flaues Gefühl in der Magengegend. »Das stimmt. Es war eine Sekundenentscheidung, und ich schäme mich, dass ich sie getroffen habe.«
»Was haben Sie der Polizei erzählt, als die zu dem Gebäude kam?«
»Dass ich zufällig dort war.«
»Liebe Güte«, stöhnte Leadbeater und warf Fountain einen enttäuschten Blick zu. »Es ist eine Schande.«
»Woher sollte die Polizei erfahren, dass das nicht stimmt, Mr. Leadbeater?«, meldete sich Neela kleinlaut zu Wort.
Leadbeater wandte sich überrascht wegen dieser Frage an sie. »Wollen Sie damit vorschlagen, dass wir nach unserem Gutdünken Informationen preisgeben und andere für uns behalten sollen, Mrs. Nolan? Ich hoffe doch nicht. Um Ihren Mann erfolgreich verteidigen zu können, ist es absolut notwenig, dass ich alles weiß und die Polizei ebenfalls im Bilde ist. Nur dann kann die Wahrheit ans Licht kommen. Ich gehöre nicht zu den Anwälten, über die man im National Enquirer liest –, zu den Kollegen, die Karriere damit machen, schuldige Kriminaltäter durch Täuschung und Lügen vor einer Verurteilung zu bewahren. Es gibt Aspekte bei einigen Verteidigungsstrategien, über die wir lieber nicht sprechen wollen – die unserer Ansicht nach nichts mit der Schuld der Mandanten zu tun haben. Ich jedoch würde niemals mit Beweisen, die für die Schuld meines Mandanten sprechen, hinter dem Berg halten.«
»Natürlich nicht«, erwiderte Neela hastig »Ich glaube, Sie haben mich missverstanden.«
»Das möchte ich gern glauben, Mrs. Nolan. Wie auch immer -es ist nie eine gute Idee, die Polizei zu belügen. Die Lügen verfolgen einen – sie sind protokolliert und können jederzeit wieder angesprochen werden. Zum Beispiel im Prozess. Die Wahrheit zu verschweigen ist eine Sache, lügen eine ganz andere.«
Neela senkte den Blick. »Ich verstehe, Mr. Leadbeater.«
Leadbeater lächelte, dann setzte er die Befragung fort.
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