Traummoerder
»Nicht nur mein guter Ruf, sondern auch Ihr Leben steht auf dem Spiel.«
Dermot blieb standhaft, doch Neela brach ein. »Liebling, wir müssen alles sagen.«
Dermot sah aus, als hätte man ihn ins Gesicht geschlagen. Er funkelte seine Frau böse an. »Wovon sprichst du?«
Aber es war zu spät, zumindest was Leadbeater betraf. Er nahm die Unterlagen, die Fountain ihm vorgelegt hatte, und gab sie zurück. »Harold, ich fürchte, ich kann diesen Mandanten nicht vertreten. Es ist offensichtlich, dass er mir wichtige, vielleicht explosive Fakten vorenthält.«
»Bitte, Mr. Leadbeater«, bettelte Neela. »Mein Mann stand in den letzten Wochen unter unvorstellbarem Stress. Es gibt etwas, was er Mr. Fountain bisher verschwiegen hat, weil er glaubte, das sei nichts, was unsere Position beeinträchtigt. Ich bitte Sie inständig, hören Sie uns an.«
Leadbeater lehnte sich zurück. »Nun, ich bin bereit, noch eine Weile zuzuhören. Aber ich muss darauf bestehen, dass Ihr Mann selbst spricht.« Er machte eine kleine Pause. »Lassen Sie ihn seine eigenen Worte wählen – darin ist er gut. Und Sie, Mrs. Nolan, bitte ich, mir zu sagen, ob das, was er erzählt, exakt der Wahrheit entspricht.« Er richtete den Blick auf Dermot. »Ich kann Sie nur verteidigen, wenn Sie absolut aufrichtig zu mir sind.«
Alle Anwesenden sahen Dermot an. Ein Muskel in seiner Wange zuckte heftig. Ihm war klar, dass er in den sauren Apfel beißen musste – er konnte nicht mehr entfliehen. Der Zeitpunkt, offen über das Tagebuch zu sprechen, war gekommen. Und das war nicht das Einzige, was er enthüllen musste. Was war mit all den Details, die er Neela verschwiegen hatte? Sie würde am Boden zerstört sein, wenn sie erfuhr, dass er ihr die ganze Zeit etwas verheimlicht hatte.
»Ein Mann hat ein Manuskript in meinen Briefkasten gesteckt«, begann Dermot. »Es stellte sich heraus, dass es das Tagebuch eines Serienmörders war. Der Mann bat mich, das verdammte Ding zu veröffentlichen.«
»Ich verstehe.« Leadbeater lächelte – eine Pawlowsche Technik: eine Belohnung für jede korrekte Aussage.
»Und Sie haben dieses … Tagebuch gelesen?«
»Ja.«
»Und Sie sind davon ausgegangen, dass es nicht wahre Vorfälle beschreibt, sondern reine Fiktion ist?«
»Ich war mir nicht sicher. Deshalb haben Neela und ich Nachforschungen betrieben.«
»Nachforschungen? Welcher Art?« Jetzt strahlte Leadbeater über das ganze Gesicht.
»Nun, Neela hat versucht, mehr über die Menschen, die im Tagebuch namentlich erwähnt sind, in Erfahrung zu bringen …«
»Da waren Namen? Der Tagebuchschreiber identifizierte die Opfer?«
»Ja. Da waren Namen.«
»Ich verstehe. Und was fand Ihre Frau bei den Recherchen heraus?«
»Etliche Personen, die in dem Tagebuch erwähnt sind, gelten als vermisst, und einige wurden tatsächlich auf die Weise ermordet, wie es der Tagebuchautor geschildert hatte.«
»Hat er seinen Namen angeben?«
»Nein. Er nannte sich Mr. Arnold. Albert K. Arnold – ein Pseudonym, vermute ich.«
»Er nannte sich?«, hakte Leadbeater nach. Ihm entging gar nichts. »Demnach haben Sie mit dieser Person gesprochen?«
»Er hat mich angerufen. Zu Hause. Mr. Hoyle war zu der Zeit bei mir.«
»Was genau hat Mr. Arnold gesagt?«, fuhr Leadbeater fort. Jedes einzelne Wort war scharf wie ein Skalpell.
»Er behauptete, dass er all die Taten, die er haarklein im Tagebuch beschrieben hat, ausgeführt hätte. Deshalb hat er sich bei mir gemeldet. Er gestand, all die Frauen und Männer getötet zu haben. Sein Tonfall war hart, trotzdem schien er Reue zu empfinden. So sehr, dass er seinen Selbstmord ankündigte.«
»Und hat er Selbstmord begangen?«
»Ja. Ungefähr zwanzig Minuten nach dem Telefongespräch. Er sprang vom People’s Bank Building.«
Leadbeater gönnte Dermot eine kleine Verschnaufpause, während er selbst die Informationen verdaute.
»Haben Sie am nächsten Tag etwas über den Selbstmord in den Zeitungen gelesen oder in den Nachrichten gehört?«
»Weder noch.« Dermot rutschte unbehaglich im Sessel hin und her. »Arnold hat darauf angespielt, dass er sich vom Bankgebäude stürzen würde, deshalb bin ich dorthin gerast, um zu sehen, ob ich ihn vom Selbstmord abhalten kann.«
Neela sah Dermot an. Das, was er sagte, entsprach nicht ganz der Wahrheit, aber sie ließ es durchgehen. Leadbeater registrierte den verstohlenen Blick, und sein Lächeln verschwand.
»Dann haben Sie sofort die Polizei verständigt, stimmt’s?«,
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