Traummoerder
gefunden – diese Morde werden einem anderen zugeschrieben. Für mich klingt das gut.«
»Und was jetzt?«, fragte Dermot mürrisch.
»Jetzt wissen wir, dass Arnolds Tagebuch Fiktion ist – eine, für die wahrscheinlich niemand das Copyright hat und von der es keine Kopien gibt. Und das heißt, du kannst damit machen, was du willst. Schreddern oder umschreiben. Was auch immer! Was du nicht tun solltest, ist, darüber zu jammern – dazu besteht nämlich kein Grund. Dies ist eine echt günstige Gelegenheit für dich.«
Statt sich über Neela zu ärgern, ließ sich Dermot von alldem aufheitern – allerdings nur, bis Nick das Wort ergriff.
»Und was ist mit der Zahnfee? Habt ihr die überprüft? Ich meine mich zu erinnern, dass sie mit dem Leben davongekommen ist. Habe ich recht?«
»Absolut«, bestätigte Dermot. »Dieses spezielle Kapitel endet mit Arnolds Jagd auf das Mädchen, er zerrt es zurück in die Scheune, die er auf dem Land aufgebaut hatte.«
»Und ihr denkt, sie könnte noch am Leben sein?«, fragte Neela. »Vielleicht festgebunden an einen Zahnarztstuhl? Ein grausiger Gedanke zum Mittagessen.«
»Nein«, gab Dermot scharf zurück. »Ganz bestimmt hat er sie kaltgemacht. Wir wissen nur nicht, wie und wann.«
»Nein, das wissen wir nicht. Sie könnte vor ein paar Tagen gestorben sein oder sie macht jetzt, während wir essen, ihren letzten Atemzug«, bemerkte Nick. »Er hat nicht geschrieben, dass er sie getötet hat. Das heißt, er hat es entweder nicht getan, oder er wusste nicht, ob sie umgekommen ist oder nicht – vorausgesetzt, er hat die Episode frei erfunden oder die Taten anderer als Basis genutzt.«
»Wenn eine Frau, der man alle Zähne herausgerissen oder angebohrt hat, tot aufgefunden worden wäre, hätte es in der Zeitung gestanden«, gab Neela zu bedenken.
Dermot und Nick nickten. Damit hatte sie recht. Eine solche Folter vor einem Mord war ein Stoff, aus dem Schlagzeilen gemacht wurden.
»Wieso überprüft ihr das nicht?«, schlug Nick vor.
»Ich soll noch mal da rausfahren? Lieber Himmel, Nick, bitte mich nicht darum.« Dermot starrte Nick an. »Es sei denn, du begleitest mich«, forderte er ihn heraus.
»Kommt gar nicht in Frage.« Nick lachte leise. »Ich bin der größte Feigling weit und breit.«
Dermot lachte zum ersten Mal seit Tagen und schob seinen Teller von sich.
Eine Weile saßen sie schweigend da. Dann begann Neela: »Ich denke …«, sie zögerte,»… ich denke, wir müssen mit der Polizei über all das sprechen oder zumindest Mikes Meinung einholen. Arnolds Pseudogeständnis, was die Morde an den Zerskys und Hamilton angeht, wirft immerhin Zweifel an der Schuld des Mannes auf, den sie in Untersuchungshaft halten.«
»Nein!« Dermots Ausbruch war so laut, dass sich die Gäste an den Nachbartischen nach ihm umdrehten. Er schaute sich um und fuhr in gemäßigtem, aber dennoch eindringlichem Ton fort: »Wie, zum Teufel, sollen wir das machen? Was soll ich denen sagen? Dass mir ein Unbekannter ein Tagebuch zukommen ließ, in dem er detailliert berichtet, wie er ein Dutzend oder mehr Menschen umbringt? Dass er exakte Angaben macht, wo er all seine Opfer verscharrt hat, und dass ich bis jetzt Stillschweigen darüber bewahrt habe? Dass ich zu einem dieser Orte gefahren bin, um nachzusehen, ob dort wirklich Leichen begraben sind. Und damit hätte ich noch nicht einmal erwähnt, dass ich einem verwesenden Menschenkopf in die milchigweißen Augen geschaut habe.«
»Du weißt nicht, ob es ein Menschenkopf war.«
»O Gott, Neela – das spielt doch gar keine Rolle! Ich habe Mike bereits angelogen.«
»Aber wenn da draußen gerade jetzt ein Mädchen ohne Zähne stirbt, dann muss die Polizei davon erfahren. Sie haben bessere Chancen, sie ausfindig zu machen, als du. Vielleicht können sie das Mädchen retten.«
»Sie ist sicher schon tot. Wie lange würdest du durchhalten, wenn man dir jeden einzelnen Zahn aus den Kiefern herausbohrt und dich immer wieder mit Succinylcholid lahmlegt? Eine Stunde? Einen Tag? Länger würdest du es auf keinen Fall ertragen.«
Neela entdeckte eine Verzweiflung an Dermot, die ihr bisher verborgen geblieben war, und das bereitete ihr Sorgen. Sie spähte zu Nick und sah, dass er dasselbe dachte. Der Blickwechsel war Dermot nicht entgangen.
»Und ich bin der gefühllose Bastard, ja? Das denkt ihr doch, oder? Das bin ich nicht. Okay? Ich tue, was ihr wollt, nur um euch zu gefallen. Ich mache mich auf die Suche nach Phoebe Blasé. Gleich jetzt.
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