Traummoerder
ruft hin und wieder die schlimmsten Leute auf den Plan. Ständig nerven mich Menschen, die mir ein Manuskript zeigen wollen, das sie selbst verfasst haben. Aber ich habe gar nicht die Zeit, das alles zu lesen, deshalb werfe ich die Sachen meistens sofort in den Papierkorb. Das führt oft zur Verbitterung. Die Leute meinen, dass ich sie ignoriere, und werden wütend. Und ich dachte, der Typ, der mich im Peugeot verfolgt, wäre einer dieser Kandidaten.«
»Das klingt, als wäre so etwas schon einmal vorgekommen, Mr. Nolan. Ist es so?«
Diese Frage verblüffte Dermot. »Na ja, nicht mir persönlich, nein. Aber ich kenne etliche Schriftsteller, denen nachgestellt wurde.«
»Können Sie mir ein Beispiel nennen? Von Autoren, denen jemand nachgestellt hat?« Sassine hatte nicht vor, Dermot so schnell vom Haken zu lassen. »Nur damit ich weiß, welches Ereignis Sie so sehr gestört hat. Wieso haben Sie sich berechtigt gefühlt, einem anderen Wagen mit viel zu hoher Geschwindigkeit etliche Meilen weit zu folgen? Dabei haben sie einen Unfall und den Verlust von Menschenleben riskiert.«
»Na ja … ich habe in den Zeitungen oft gelesen, wie Prominente verfolgt werden. Tom Cruise, Nicole Kidman, Prinzessin Diana, um Himmels willen!«
Sassine betrachtete Dermots Gesicht. Dann lächelte er und beugte sich über den Tisch. »Mr. Nolan, hier geht irgendetwas vor sich, was Sie mir verschweigen. Das ist zumindest mein Eindruck. Nichtsdestotrotz sind Sie im Straßenverkehr noch nie auffällig geworden, und andere Vorstrafen haben Sie auch keine. Einer meiner Kollegen erzählte mir, dass Sie ein sehr anständiger Kerl sind, also werde ich Sie nicht weiter unter Druck setzen. Was die Geschwindigkeitsüberschreitung und die aggressive Fahrweise angeht, erteile ich Ihnen eine strenge Ermahnung, die in Ihrer Akte vermerkt wird für den Fall, dass Sie jemals daran denken sollten, ein derartiges Verhalten zu wiederholen. Sie werden einen Strafzettel wegen Tempoüberschreitung bekommen. Nehmen Sie ihn mit nach Hause und denken Sie darüber nach, was Sie getan haben. Und jetzt können Sie gehen.«
Dermot sandte ein stilles Dankgebet an Mike Kandinski, nahm seine Sachen und machte sich davon.
Kapitel 24
Nach dem Lunch im Flower Street Café nahm Nick Neela mit zu Sotheby’s, weil er sich ein Bild anschauen wollte, für das er im Auftrag eines Klienten mitbieten sollte. Danach setzte er sie zu Hause ab. Er war nicht überrascht, dass von Dermot keine Spur zu sehen war. »Glaubst du, er ist tatsächlich losgefahren und gräbt diese Leichen aus? Das konnte er doch nicht ernst gemeint haben.«
»Wer weiß?«, antwortete Neela matt. »Er wird immer launischer. Wie vorhin … Ich wünschte, ich könnte ein bisschen Prozac in seinen Jack Daniels mischen, wenn er nicht hinsieht.«
Sie durchquerte das Wohnzimmer und ging in die Küche, dann schloss sie die Schiebeglastür zum Garten auf. Sie steuerte den kleinen Gartenschuppen an und vergewisserte sich, ob die Schaufel noch da war. Sie atmete erleichtert auf; wäre die Schaufel nicht an ihrem Platz gewesen, hätte sie gewusst, dass Dermot losgezogen war, um die Leichen auszugraben. Aber wo, zum Teufel, trieb er sich wirklich herum?
Nick rief aus dem Haus: »Neela, er ist wieder da!«
Sie lief ins Haus und war entsetzt, als sie Dermot sah.
»Gib mir einen Drink, Nick«, forderte Dermot und ließ sich in einen Sessel fallen. Sein Gesicht war aschfahl. Das Jackett und die Krawatte hatte er sich über eine Schulter geworfen.
Neela schüttete drei Finger hoch Bourbon in ein Kristallglas. »Was ist passiert? Hat dich jemand angegriffen?«
»Nein. Ich wurde festgenommen. Das ist alles.«
»Das ist alles? Festgenommen? Willst du mich auf den Arm nehmen?«
»Nein. Aggressives Fahrverhalten. Was soll ich sonst noch dazu sagen?«
Neela setzte sich zu ihm; sie ärgerte sich über seine Schnodderigkeit. Für ihn war offenbar alles ein großer Witz.
»Hast du vor, uns mehr darüber zu erzählen? Oder wird dies ein nervenaufreibendes Frage-und-Antwort-Spiel?«, fragte sie.
Dermot seufzte. »Ich habe einen anderen Peugeot auf dem Santa Ana gesehen und dachte, es wäre der Wagen, der mir schon einmal gefolgt ist – ihr wisst schon, ich habe bereits von ihm gesprochen. Dieses Mal vertauschte ich die Rollen – ich fuhr hinter dem anderen Peugeot her. Wie sich nach einer ziemlich interessanten zehnminütigen Verfolgungsjagd herausstellte, saß eine vollkommen verängstigte Frau, die ihre kleine
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