Traummoerder
Mordfälle zu Rate gezogen hast, um einen Roman aus diesem Stoff zu schreiben.«
Dermot verschlug es schier den Atem. Er hatte ein so dichtes Netz gewoben, und es war ihm unmöglich, sich jetzt noch daraus zu befreien. Was konnte er Neelas Logik entgegensetzen? Hätte er keine stichhaltigen Hinweise auf die Toten gefunden, wäre nichts dabei gewesen, Neelas Empfehlung zu folgen.
Ein süßer Shi Tzu kroch unter der Bank hervor und schmiegte sich an Neelas Bein. Sein Frauchen rief nach ihm, und er rannte davon.
»Falls – und ich betone falls –, ich mich entschließe, den Stoff umzuschreiben, wäre es mir wirklich lieber, es würde aussehen wie reine Fiktion. Sobald ich dem Tagebuch meinen eigenen Stempel aufgedrückt habe, werden nur wenige Leute die Zusammenhänge erkennen, selbst wenn sie das Original einsehen würden. Außerdem könnte ich einige zu genaue Details weglassen – solche, die ich für zu offensiv und entlarvend halte.«
»Aber, Liebling, gerade diese Detailgenauigkeit ist die Stärke des Textes«, widersprach Neela sachlich.
Allmählich wurde Dermot richtig unruhig. »Ja, das mag schon stimmen, aber lass uns einen Schritt nach dem anderen machen. Kannst du ab jetzt alles mir überlassen? Schließlich soll ich dieses verdammte Ding schreiben, oder?«
Es war nicht seine Absicht gewesen, sie anzuschreien. Die Shi-Tzu-Besitzerin, die ein paar Meter entfernt stand, drehte sich zu ihnen um, raunte dem kleinen Hund etwas zu und zerrte ungeduldig an seiner Leine, weil sie so schnell wie möglich weg wollte.
»Entschuldige, Neela. Du hast recht. Ich sollte die Dinge nicht so nah an mich heranlassen. Es ist der ständige Druck – die Nachfragen von Esther, die unbezahlten Rechnungen und der Gedanke, dass ich mich mit Begebenheiten auseinandersetzen muss, die mich anwidern, und einen Roman verfassen soll, den ich gar nicht schreiben will. Und dass ich meinen Namen dafür hergeben muss.«
»Das verstehe ich. Glaub mir, ich verstehe es wirklich.«
»Dann wurde er also nie gefunden? Major, meine ich. Er gilt immer noch als vermisst?«
»Ganz recht – er wird ›vermisst‹; es sei denn, das, was du in dem Wassertank gesehen hast, war Majors Kopf.«
»Ich glaube nicht mehr, dass es ein Menschenkopf war. Im Rückblick bin ich sogar sicher, dass es keiner war. Gar keine Frage – das war ein Tierschädel«, erwiderte Dermot ein wenig zu hastig. »Was hast du noch für Neuigkeiten?«
»Abel Conway. Seine Leiche wurde gefunden. Er kam genauso, wie Arnold es beschreibt, ums Leben. Er stürzte aus dem siebzehnten Stockwerk eines leer stehenden Gebäudes, das nicht weit weg von unserem Haus ist. Du kennst den Komplex? Es ist das Gordon Building am South Broadway.«
»Ja, ich kenne es. Es ist seit zwei Jahren nicht mehr bewohnt.«
»Stimmt. Der Mann war wirklich Taxifahrer. Ich hab den Polizeibericht im Internet gelesen. Offenbar hatte er keinen Grund, das Gebäude zu betreten oder gar in den siebzehnten Stock zu fahren, weil kein Mensch mehr in dem Haus wohnte. Die Protokolle des Taxiunternehmens weisen aus, dass ein Mann von einem Handy aus angerufen und den Auftrag gegeben hat, seine betagte Großmutter abzuholen und zu einem Pflegeheim zu bringen. Er sagte, seine Großmutter wolle von einem ganz bestimmten Taxifahrer chauffiert werden, und nannte Abel Conways Namen, deswegen hat die Dienststelle eine Ausnahme von der Regel »keine Buchungen nach einem Handyanruf‹ gemacht. Jedenfalls stellte sich heraus, dass Conway unter Höhenangst litt. Was, um alles in der Welt, konnte ihn so erschreckt haben, dass er aus dem Fenster im siebzehnten Stock sprang?«
»Woher weiß man, dass er gesprungen ist? Vielleicht wurde er gestoßen.«
»Wie Arnold selbst?«
Sofort verspürte Dermot Ärger, ließ sich jedoch nichts anmerken. »Ja, wie auch immer.«
»Jemand hat ihn vom Nachbargebäude aus gesehen«, fuhr Neela fort. »Kommen wir zu den Pfahlopfern, Gareth Nash und seine Frau Laura.«
»Was ist mit ihnen?«
»Sie verschwanden an ein und demselben Tag, aber von unterschiedlichen Orten. Er war hoch verschuldet, und nachdem sie als vermisst gemeldet worden waren, kam heraus, dass die Frau in der Finanzierungsgesellschaft, in der sie arbeitete, Geld unterschlagen hat – es ging um mehr als hunderttausend Dollar. Damals erzählte man sich, dass sie hier alles stehen und liegen gelassen haben und nach Übersee ausgewandert sind, um ein neues Leben anzufangen.«
»Hältst du das für möglich?«, fragte
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