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Traumpfade

Traumpfade

Titel: Traumpfade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Chatwin
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sind zu ihren rechtmäßigen Besitzern zurückgekehrt.«
    Der Mann aus Amadeus sah erleichtert aus. Das Gespräch drehte sich jetzt um andere Dinge.
    Titus war der Schrecken der Landrechtebewegung, weil alles, was er zu sagen hatte, zwangsläufig originell und unverfroren war. Er behauptete, die Menschen der Generation seiner Großeltern hätten unendlich viel düsterere Perspektiven gehabt, als das heute der Fall sei. Die Ältesten, die beobachteten, wie ihre Söhne kaputtgingen, hätten ihre Tschuringas häufig den Missionaren übergeben, um zu verhindern, daß sie zerbrachen, verlorengingen oder verkauft wurden. Ein Mann, der ihr Vertrauen verdiente, war der Pastor der Horn-River-Mission, Klaus-Peter Auricht. »Mein Großvater«, sagte Titus, »hat dem alten Auricht mehrere Tschuringas gegeben, als der da« – er zeigte mit dem Kopf auf seinen schnarchenden Vater – »zu trinken anfing.«
    Bevor er Ende der sechziger Jahre starb, hatte Pastor Auricht die »Sammlung« zum Hauptsitz der Mission in Alice gebracht, wo sie unter Verschluß gehalten wurde. Als die »Aktivisten« Wind davon bekamen, daß Deutsche auf heiligem Besitzgut saßen, das »Millionen wert« war, schlugen sie wie üblich Radau und forderten die Rückgabe an das Volk.
    »Diese Idioten verstehen nicht«, sagte Titus mit seiner schleppenden Stimme, »daß es so etwas wie einen Aborigine oder Ureinwohner nicht gibt. Es gibt Tjakamarras und Jaburullas und Duburungas wie mich, und das immer so weiter, im ganzen Land.
    Aber wenn Leslie Watson«, fuhr er fort, »und die Canberra-Sippe auch nur einen einzigen Blick auf meine Familientschuringas geworfen hätten und wir wegen dieses Umstands das Gesetz anwenden müßten, wäre ich gezwungen, sie mit dem Speer zu durchbohren, oder?«
    Titus schüttelte sich vor Lachen, und wir alle taten es ihm gleich.
    »Ich kann euch sagen«, keuchte er mit einem boshaften Grinsen, »seit ich euch das letztemal gesehen habe, sind ein paar ausgesprochen komische Besucher bei mir gewesen.«
    Die ersten waren ein paar junge Architekten, die ihm – im Namen des Pintupi-Rats und in der Hoffnung, ihm den Mund zu verschließen – ein Haus bauen wollten.
    Titus schnaubte: »Sie hatten sich irgendeine Hütte mit Flachdach vorgestellt. Idioten! Ich sagte ihnen, wenn ich je ein Haus haben sollte, müßte es ein Haus mit Giebeldach sein. Ich bräuchte eine Bibliothek für meine Bücher. Ein Wohnzimmer. Ein Gästezimmer. Draußen Küche und Dusche. Sonst bliebe ich, wo ich bin.«
    Der nächste war noch komischer gewesen: ein zungenfertiges Individuum von der Bergwerksgesellschaft, das Sprengkabel durch Titus’ Land legen wollte.
    »Bastard!« sagte er. »Zeigt mir seine geologische Übersichtskarte – wozu er, das muß man dazusagen, laut Gesetz der Krone verpflichtet ist – und redet eine Menge total schwachsinniges Zeug. ›Hier‹, sage ich zu ihm, ›geben Sie mal her.‹ Ich werfe einen Blick auf seine Synklinalen, und ich muß sagen, sie haben gute Chancen, in der Nähe von Hunter’s Bluff Öl oder Erdgas zu finden. ›Sehen Sie her!‹ sage ich. ›Man kann das auch anders betrachten. Wir haben in dem Gebiet eine Menge wichtiger Träume. Die Australische Katze, zum Beispiel. Den Emu, den schwarzen Kakadu, den Wellensittich, zwei Echsenarten. Und wir haben eine ›ewige Ruhestätte‹ des Großen Känguruhs. Auf den ersten Blick würde ich sagen, daß dort Ihr Ölfeld oder sonst etwas ist. Aber er schläft dort seit der Traumzeit, und wenn ich in der Sache ein Wort mitreden kann, wird er dort bis in alle Ewigkeit weiterschlafen.‹«
    Titus freute sich sehr über unseren Besuch. Wir lachten noch eine Menge mehr. Sogar der Mann aus Amadeus mit seinem Nachttopfgesicht lachte. Dann kletterten wir in den Landcruiser und fuhren nach Cullen zurück.
    Ich verbrachte den Nachmittag damit, meine Papiere zu ordnen. Wir wollten am nächsten Morgen nach Alice aufbrechen.

39
    D er Mann aus Amadeus wollte bei der Horn-River-Siedlung abgesetzt werden, und so bot sich Arkady an, ihn über die Nebenstraße hinzubringen. Sie war weit weniger befahren als die andere, aber sie wurde allmählich trocken, und der Mann von der Bergwerksgesellschaft war mit seinem Auto durchgekommen.
    Wir hatten uns mit Nahrung und Wasser eingedeckt und verabschiedeten uns gerade von Rolf und Wendy und versprachen einander, daß wir uns schreiben und Bücher schicken und uns nie aus den Augen verlieren würden, als Limpy angeschlendert kam und seine Hände an

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