Traumreisende
nächstgelegenen Ortschaft gehen, von der bekannt war, dass es dort eine Siedlung der Aborigines gäbe. Wenn die Dinge sich nicht radikal verändert hatten, war sie zuversichtlich, dass sie Verbündete finden würde, die ihr Kleidung, Obdach, Nahrung und Freundschaft geben würden. Jahrhunderte des Teilens und der gegenseitigen Hilfe schienen sich dem Wesen der Aborigines tief eingeprägt zu haben. Es war ihnen fremd, einem Mitreisenden den Rücken zu kehren. Am folgenden Morgen kroch die Sonne nur langsam hervor, als wolle sie Mapiyal die Chance geben, noch einmal über ihre Entscheidung nachzudenken. Aber sie hatte sich entschlossen. Jetzt war die richtige Zeit; es diente dem höchsten Wohl, jetzt zu gehen.
Sie verabschiedete sich von allen und äußerte den Wunsch, eines Tages zurückzukehren. Sie hatten geschätzt, dass die Entfernung zur nächsten Aborigine-Gruppe sieben bis acht Tagesmärsche mäße. Mapiyal brauchte neun Tage. Als sie ankam, saß sie in der Abenddämmerung im Buschland und hielt aus einiger Entfernung Ausschau. Sie sah fünf Behelfsunterkünfte, die wirkten, als befänden sie sich im Zustand des Auf-oder Abbaus. Genau konnte sie es nicht sagen. Drei hatten hölzerne Stufen vor den Haustüren, zwei nicht. Nur ein Haus hatte Scheiben in allen Fenstern, aber die waren hochgeschoben, damit die Luft zirkulieren konnte.
Obwohl einige Leute die Unterkünfte betraten oder verließen, schienen die meisten im Freien zu sitzen oder zu stehen. Die Gebäude standen zwischen hohen grünen Bäumen. Sie sah eine ältere Frau mit Doppelkinn und einem kleinen vorstehenden Bauch, die aussah, als sei sie ungefähr in ihrem Alter. Die Frau bewegte sich zwischen den anderen und briet dann etwas auf einem Grill im Hof. Sie schien am besten geeignet zu sein, um sie anzusprechen.
Mapiyal wartete auf eine Gelegenheit dazu. Sie hoffte, später am Abend werde die Frau allein sein. Die Menschen zogen sich nicht früh zurück. Sie saßen lange zusammen und redeten bis in die frühen Morgenstunden miteinander. Mapiyal nickte ein, konnte aber nicht lange schlafen. Unmittelbar vor Sonnenaufgang kam die Frau aus ihrem Haus, setzte sich auf die Stufe vor der Tür und trank eine Tasse Tee. Mapiyal stand auf und ging auf sie zu. Sie klopfte sich den Staub von dem Lederschurz, den sie angefertigt hatte, um sich zu bedecken. Als sie näher kam, blickte die Frau auf.
»Es ist heute«, sagte sie, da sie ganz vergessen hatte, welchen Gruß die Leute benutzten.
»Tag«, antwortete die Frau und sah Mapiyal mit ihren schwarzen Augen verwirrt an. Sie fragte: »Woher kommst du?«
»Ich gehöre zum Stamm der Karoon. Ich bin hierher gekommen, weil ich euch um Hilfe bitten möchte. Es ist viele Jahre her, dass ich die Stadt verlassen habe. Ich brauche etwas anzuziehen, und ich muss mir eine Landkarte ansehen, um eine Vorstellung davon zu bekommen, wo ich bin.«
Die Frau machte einen sanftmütigen Eindruck. Sie nickte zustimmend und sagte: »Zum Anziehen kann ich dir etwas geben. Du siehst aus, als hättest du ungefähr meine Größe, und alles, was ich habe, hat Gummizug in der Taille. Aber eine Landkarte habe ich nicht, ich habe auch noch nie eine gesehen. Aber trotzdem, mach dir keine Sorgen, wir können sicher finden, was du brauchst. Komm rein, ich mache dir auch eine Tasse Tee.« Sie stand auf, um ins Haus zu gehen, und sprach dabei weiter. »Ich hatte keine Ahnung, dass es im Busch noch Menschen gibt. Man hat uns gesagt, alle wären fort. Ich möchte alles über dein Leben dort hören.«
Zuerst bereitete die Frau eine Tasse Tee. Nachdem sie diese ihrem Gast gereicht hatte, ging sie in ein anderes Zimmer und kam mit zwei Kleidern zurück. Das eine war blau, das andere mit einem Muster bedruckt. Beide hatten kurze Ärmel, waren vorn bis zur Taille geknöpft und hatten einen Gummizug in der Taille. Sie waren nach demselben Schnittmuster selbst genäht.
»Hier, die kannst du anprobieren. Ich hoffe, eines wird dir passen. Ich heiße Sally. Wie heißt du?«
»Ich bin Bea.« Mapiyal hatte keine Ahnung, warum sie das sagte. Sie war seit Jahren nicht mehr Beatrice. Aber nun hatte sie es ausgesprochen, und folglich würde es gehen müssen.
Wenn sie bei ihrer Familie wäre, würde diese Veränderung der Interessen sicher Grund für einen Namenswechsel sein, aber sie war nicht bei ihrer Familie. Für Bea war es in Ordnung. Sie würde dabei innerlich an »Bee« denken, die Biene, das kleine Geschöpf, das so geschäftig Pollen von Ort zu
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