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Traumreisende

Traumreisende

Titel: Traumreisende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlo Morgan
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Ort trägt und den Blumen zu leben hilft. Bienen bauen für ihresgleichen ein Gemeinwesen auf. Sie leben friedvoll, aber da ist immer der Stachel für Notfälle. Bea hoffte, dass sie gelernt hätte, niemals einen Stachel zu benutzen.
    In den nächsten paar Stunden redeten sie miteinander. Bea hatte ihre Arbeitsstelle 1956 verlassen; nun schrieb man 1990, und nichts war unverändert geblieben. Sally erzählte ihr vom Fernsehen, von kabellosen Telefonen, Computern, Satelliten und Raumschiffen. Sie besaß keinerlei Luxusgegenstände, aber sie wusste alles darüber und hatte Freunde, denen welche gehörten. Das Objekt am Himmel konnte sie nicht erklären.
    »Aber die Amerikaner und die Russen machen sich da draußen zu schaffen.« Bea ihrerseits erzählte Sally vom Leben bei den »Wahren Menschen«. Bald war es später Vormittag geworden.
    Inzwischen wusste jeder in der Gemeinde, dass Sally eine Wüstenbewohnerin zu Gast hätte. Einer nach dem anderen kamen sie in die Küche, schauten, stellten sich vor, fragten und ließen sich befragen. Dann war Essenszeit. Bea merkte, dass sie ganz vergessen hatte, dass es Bohnen in Dosen und weißes Brot in Plastikverpackung gab. Sie war dankbar für die Gastfreundschaft, aber sie aß nur wenig, da sie sich nicht sicher war, ob ihr Magen schon wieder für diese Art der Nahrung bereit wäre. Am Abend versammelte sich eine Gruppe unter den Bäumen, und Bea saß dabei und hörte zu, wie jeder seine Meinung über das äußerte, was mit den Aborigines in Australien geschah.
    Neunzig Prozent waren arbeitslos. Das Sozialhilfesystem war unzureichend, um ihre Bedürfnisse zu erfüllen. Die jungen Leute erhielten eine gute Schulbildung, aber der Anreiz für eine weiterführende Ausbildung fehlte, weil es keine Jobs gab. Es gab Alibi-Aborigines in der Regierung und bei Zeitungen und anderen Medien, aber die meisten von ihnen waren hellhäutiger. Ein Mann meinte, die dunkle Hautfarbe sei ein absolut negativer Faktor geblieben. Die Gesundheit der Menschen wäre ein großes Problem. Diabetes und Alkoholabhängigkeit forderten einen so hohen Tribut, dass nur selten jemand achtzig Jahre alt würde.
    Doch das Schwerwiegendste für ihre Kultur seien die bestehenden Bodenrechte. Es gebe niemanden in der Regierung, der das verstand oder sich dafür einsetzte, geheiligte Orte zu schützen. Die Menschen hätten etwas Land erhalten, das nur für die Aborigines bestimmt war, aber einige Bergbaugesellschaften hätten die Erlaubnis erhalten, sogar dort die Erde zu zerstören. Jeder schöne Platz auf dem Kontinent wäre jetzt ein Nationalpark, aber selbst dieses Land wäre nicht frei von Bergbau und Ausbeutung. Den Leuten fehle es an Stolz, sagten sie. Sie hätten nichts mehr, worauf sie stolz sein konnten. Sie hätten den Kontakt zu ihrem Erbe verloren.
    Später machte Sally für Bea ein Bett auf ihrem Sofa, aber Bea konnte nur schwer einschlafen, weil sie es nicht mehr gewöhnt war, auf einer Matratze zu schlafen. Schließlich ging sie nach draußen, wo mehrere andere schliefen, und fand eine bequeme Stelle im dichten Gras. Sie nahm ein Laken und legte es unter sich, weil man sie vor winzigen Insekten gewarnt hatte, die sich unter die Haut fräßen.
    Als sie zu den Gestirnen am Himmel aufblickte, konnte sie nur schwer begreifen, wie zwei so verschiedene Lebensweisen - geographisch gar nicht so weit voneinander entfernt - unter derselben Milchstraße existieren könnten.
    Ich weiß nicht, ob ich für das Objekt am Himmel eine Antwort finden werde, aber vielleicht hat die Göttliche Einheit diese Frage dafür benutzt, um mich hierher zubringen, dachte sie. Ich spüre jetzt, dass ich nicht hergerufen wurde, um Informationen zu erhalten und zurückzubringen, sondern um Informationen zu vermitteln. Irgendwie fühle ich mich gedrängt, dabei zu helfen, unser Volk an sein Erbe zu erinnern und ihm wieder Stolz und Würde zu geben. Vielleicht ist die Zeit gekommen, dass wir die >Veränderten< beeinflussen, anstatt uns ihrer Macht und ihren Forderungen zu unterwerfen. Vögel zwitscherten und Kinder kicherten, als Bea aufwachte. Sally hatte mit einem Nachbarn gesprochen und vereinbart, dass Bea mit ihm von der Siedlung in die Stadt fahren würde.
    Dort gab es eine Bibliothek und auch ein Rathaus, wo Bea sicher eine Landkarte finden könnte. Nach einem Frühstück aus Tee und Kuchen umarmte Sally sie mit feuchten Augen und sagte: »Ich hoffe, du wirst wiederkommen, aber irgendwie habe ich das Gefühl, das wird nicht

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