Traumreisende
geschehen. Ich wünsche dir Erfolg, und ich möchte helfen. Das ist für dich.« Sie gab Bea etwas Papiergeld, das sie fest zusammengerollt in der Faust gehabt hatte.
In der Nähe stand ein Auto, dessen Motor im Leerlauf schnurrte, und der dünne junge Fahrer, ein Aborigine in Blue jeans und T-Shirt, wartete. Als Bea auf den Wagen zuging, stieg der junge Mann neben einer Beifahrerin ins Auto und sah so aus, als wolle er sofort losfahren. Bea hatte sowohl die Frau auf dem Beifahrersitz als auch einen Mann, der auf dem Rücksitz saß, kennen gelernt. Sie stieg hinten ein. Der Mann wollte zum Arzt, die Frau wollte Freunde besuchen. Sie redeten auf dem ganzen Weg miteinander, und Bea fühlte sich immer weniger als Außenseiterin.
Im Rathaus holte ein hilfsbereiter Mann mehrere Landkarten hervor und breitete sie auf einem Tisch aus. In Schullehrermanier zeigte er aus der Eingangstür hinaus und erläuterte seiner neuen Schülerin, was in welcher Richtung liege. Er erzählte ihr von Büros für Aborigine-Angelegenheiten und Aborigine-Herbergen. Sie fragte ihn nach den Objekten am Himmel vor zwei Wochen, aber davon wusste er nichts.
Sie erfuhr, dass die Regierung fast in jeder kleinen Stadt ein Einzimmerbüro für Aborigine-Angelegenheiten unterhielte. Dort traf sie selten jemanden an, aber gewöhnlich konnte man ihr in der Nähe sagen, wo der örtliche Leiter zu finden wäre. Dieses Amt wurde als Prestigeposten betrachtet, aber nur sehr gering bezahlt. Die Regierung schien ehrliche Absichten zu haben. Die weiße Oberherrschaft hatte sich ihr Volk vor zweihundert Jahren unterworfen, aber was hielt es weiterhin am Boden? Sie bemerkte keinen Rassenhass mehr. Wenn überhaupt etwas, dann waren die Weißen den Schwarzen gegenüber gleichgültig. In den Läden, die sie betrat, redeten die Verkäufer mit ihr genauso wie mit weißen Kunden. In jeder Stadt fand sie einen Platz zum Schlafen, konnte ihr Kleid waschen und wechseln und preiswerte Mahlzeiten essen. Nach dreißig Tagen fand sie sich an der Westküste wieder. Sie saß auf einer Bank vor dem Büro für Aborigine-Angelegenheiten, als eine Frau auf sie zukam und sie hineinrief.
»Setzen Sie sich dort hin«, sagte die junge Frau, die Bea über ihre Brille hinweg ansah. »Wir müssen einige Papiere ausfüllen. Wie heißen Sie?«
»Bea.«
»Familienname?«
Bea saß reglos da. Sie hatte keinen Familiennamen. Im Waisenhaus hatte man ihr keinen zugeteilt. Mrs. Crowley hatte nicht danach gefragt und Mildred in der Milchbar auch nicht, aber das war vierunddreißig Jahre her. Jetzt war anscheinend die Zeit dafür gekommen.
»Wie heißen Sie mit Nachnamen?« fragte die Frau noch einmal, etwas lauter für den Fall, dass Bea schwerhörig wäre.
Was in der Wüste mit Muße und großer Entschlossenheit getan worden wäre, musste jetzt im Tempo des modernen Lebens angegangen werden. Rasch überprüfte Bea ihr Gefühl, wo sie im Leben stände und wie das wiederzugeben wäre. Sie erinnerte sich an den Satz: »Wir steigen und sinken als Volksgruppe genau wie das Wasser in einem See.«
Das englische Wort für See war Lake. »Lake«, antwortete Bea.
»Mein Name ist Lake.«
»Wie lautet Ihre Steuernummer?«
Bea schluckte. »Ich habe keine.«
»Schon wieder jemand ohne Steuernummer! Nun ja, wir werden auch dafür die Papiere ausfüllen. Sie können nicht arbeiten, ohne Steuern zu zahlen.«
»Arbeiten?« fragte Bea.
»Ja, Sie haben Glück, meine Liebe«, sagte die Frau, nahm sich einen Ohrring ab und rieb sich das schmerzende Ohrläppchen, während sie weiterschrieb. »Eine sehr nette Familie hat heute die Stellung eines Kindermädchens zu besetzen. Sie stellen ein Zimmer, alle Mahlzeiten und einen Lohn. Es ist nur ein Kind zu betreuen, ein Junge. Wie ist Ihre Adresse?«
»Also, eigentlich habe ich keine.«
»Dann nehme ich die Adresse der Herberge. Dort können Sie für ein paar Tage bleiben, und ich kann Sie dort gut erreichen. Nun, Sie können doch Kinder betreuen, oder?«
»Na ja, ich liebe Kinder, aber ich...«
»Ach, du liebe Güte«, unterbrach die Blonde sie, als sie auf ihre Uhr schaute. »Ich muss für die Mittagszeit schließen, und Sie müssen sich schnell auf den Weg machen, um den Bus zu erwischen. Hier ist die Wegbeschreibung, wie Sie zum Haus der Carpenters kommen. Nehmen Sie den Bus Nummer 44, und steigen Sie dann in Nummer 16 um. Es ist nur sechs Blocks von dieser Haltestelle entfernt. Hier ist meine Telefonnummer. Rufen Sie mich an, nachdem Sie sich
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