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Traumreisende

Traumreisende

Titel: Traumreisende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlo Morgan
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sie würde mit ihm etwas besprechen wollen, das ihn persönlich betraf. »Ihrem Volk helfen? Ja, ich kann Ihnen helfen, Ihrem Volk zu helfen.«
    Sie verbrachten weitere dreißig Minuten miteinander. Als Bea ging, hatte Andrew eingewilligt, Judy zu treffen. Die Begegnung fand in der folgenden Woche statt.
    Bea stellte fest, dass sie bei all den Projekten und Sorgen, um die es sich zu kümmern galt, das größte Interesse dafür empfand, alle Aborigines, die in ausländischen Haftanstalten saßen, nach Hause zurückzuholen.
    Tagsüber kümmerte sie sich weiterhin um David. Die Carpenters brachten ihr das Autofahren bei, damit sie mehr Möglichkeiten hätte, Ausflüge mit dem Kind zu unternehmen, und sie ging sogar zur Führerscheinstelle, wo sie die Prüfung bestand und einen gültigen Führerschein erhielt. Als sie den in der Hand hatte, stieß Bea ein lautes »Wow!« aus. In dieser Gesellschaft bedeutete er, dass sie es geschafft hatte. Sie war stolz darauf, ein »Wahrer Mensch« zu sein.
    Abends und an den Wochenenden schrieb Bea Briefe und sammelte Informationen. Das größte Hindernis, auf das sie stieß, bestand darin, dass viele Länder kein Zentralregister hatten. Jede Institution führte eigene Akten, und die meisten hatten keine besondere Klassifikation für Häftlinge, die Aborigines waren. Sie stellte fest, dass Amerika nur Schwarze, Latinos, Asiaten, Weiße und Indianer registrierte. Ihre Landsleute liefen unter der Rubrik »Andere«. Und so schrieb sie im Laufe der Monate jeden der fünfzig amerikanischen Bundesstaaten an und fragte nach allen Männern und Frauen in der Spalte »Andere« ihrer Computerlisten. Am Schluss schrieb sie persönlich an einige der aufgezählten und mit Nummern versehenen Personen, die man ihr genannt hatte.
    Dann, im Juni, erhielt sie aus den Vereinigten Staaten ein Dokument mit der Identifizierung eines einzelnen Aborigine-Mannes. Dessen Urteil lautete auf lebenslänglich ohne Bewährung. Er hatte bereits dreißig Jahre abgesessen. Sie bekam die Erlaubnis, direkt an Jeff Marsh, Häftlingsnummer 804781, zu schreiben, und auch einige Anweisungen, die sie zu beachten hätte.
      
    Lieber Jeff,
    ich möchte mich vorstellen. Mein Name ist Bea Lake. Ich bin eine Aborigine-Frau von sechsundfünfzig Jahren und arbeite an einem Projekt, Verbindung mit allen Brüdern und Schwestern aufzunehmen, die irgendwo auf der Welt in Haft sind. Wie ich höre, bist du ein Aborigine. Ich würde gern von dir hören, dich kennen lernen und deine Freundin sein. Ich lege einen adressierten Rückumschlag für deine Antwort bei. Ich hoffe, bald von dir zu hören.
   Herzliche Grüße, Bea
        
    Liebe Bea,
    danke für deinen Brief. Persönliche Korrespondenz ist selten für mich. Gelegentlich bekomme ich einen Dank von jemandem, der eine meiner künstlerischen Arbeiten erworben hat, die ich bei einer jährlichen Gefängnisveranstaltung verkaufe. Ja, ich bin ein Aborigine. Ich wurde in Australien geboren und bin ebenfalls sechsundfünfzig Jahre alt. Ich habe in Australien gelebt, bis ich im Alter von sieben Jahren adoptiert wurde. Ich weiß nicht mehr viele Einzelheiten, aber ich erinnere mich sehr gut an das Gefühl völliger Freiheit und Sorglosigkeit. Meine Hölle begann, als ich Australien verließ. Ich würde dir gern schreiben, aber die Kosten für Briefmarken könnten ein Problem sein. Im Augenblick besitze ich etwas Geld, weil ich fünf Prozent von den Einnahmen aus den Kunstobjekten bekomme, die jedes Jahr verkauft werden. Ich habe noch nicht alles verbraucht. Ich kenne den Preis für einen Brief nach Übersee nicht; wenn es also teuer ist, werde ich nicht oft schreiben. Worüber sollen wir reden?
Herzliche Grüße, Jeff Marsh
      
    In den folgenden zwei Jahren wechselten Bea und Jeff Briefe miteinander, bis jeder die Lebensgeschichte des anderen kannte. Bea berichtete, dass sie ihren Namen geändert hätte, und Jeff erklärte, er habe dasselbe getan. Sie waren erstaunt, dass ihre Geburtsdaten so nahe beieinander lagen. Aus den offiziellen Unterlagen ging hervor, dass sie an zwei aufeinanderfolgenden Tagen geboren worden waren. Als Geburtsort war bei Bea die Stadt angeführt, in der das Waisenhaus lag, und als Geoffs Geburtsort wurde Sydney angegeben. Bea arbeitete außerdem daran, ein Komitee zu bilden, das sich auch um internationale Angelegenheiten kümmerte. Endlich wurde ihr von der Regierung eine Anhörung zugesagt, und sie schlug ein Programm zum Häftlingsaustausch vor. Das

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