Traumreisende
langfristige Ziel der Aborigines Australiens sei, so legte Bea dar, die Selbstverwaltung. Wenn die Aborigines die Macht hätten, Menschen ihres eigenen Volkes zu bestrafen, zu inhaftieren und zu rehabilitieren, würden sie auch ihren Einfluss geltend machen und die Jugend daran hindern können, Verbrechen zu begehen.
Acht Monate später erhielt Bea eine Antwort. Die australische Regierung wollte in Erwägung ziehen, den Aborigine mit amerikanischer Staatsangehörigkeit aufzunehmen, aber viele Fragen und Details wären noch zu regeln: Entspräche er den Austauschbedingungen? Welche konkreten Details wären für den Umgang mit diesem Häftling vorgesehen, wenn die Aborigines wirklich nach ihren eigenen Maßstäben strafen und rehabilitieren wollten? Wie könnten sie die Gesellschaft davor bewahren, dass dieser schon verurteilte Kriminelle weitere Straftaten beginge?
Bea rief ihren alten Freund Andrew zu Hilfe, der immer noch ein treuer Helfer war. Sie erzählte ihm von der Regierungsanhörung und fragte ihn um Rat. »Nun, ich denke, Sie müssen diesen Jeff besuchen und fragen, was er von einer Rückkehr nach Australien hält. Sie müssen hingehen und sich einen Eindruck von ihm verschaffen. Stellen Sie fest, was er für ein Typ ist. Ich weiß, Sie sind sehr optimistisch, aber vielleicht ist er nicht zu retten. Ich werde Ihr Flugticket bezahlen und alle sonstigen Kosten übernehmen.«
Bea mietete sich bei einem Autoverleih einen Wagen. Der junge uniformierte Angestellte händigte ihr die Papiere und einen einzelnen Autoschlüssel mit einem Anhänger aus, auf dem stand, dass der Wagen in der Parkbucht 33 abgestellt sei.
Außerdem erhielt sie eine Straßenkarte von der Gegend, auf der sie mit einem orangefarbenen Filzstift den Highway und die Lage einer nahen Stadt markierte. Sie folgte den Schildern, die zu einer Parkgarage in der Nähe führten, fand die Parkbucht 33 und öffnete mit dem Schlüssel die Tür eines weißen Ford, der so neu war, dass er laut Tacho erst siebzig Kilometer zurückgelegt hatte. Sie setzte sich hinters Steuer und fühlte sich auf der linken Seite des Wagens ziemlich unbehaglich; ungeschickt hantierte sie an Hebeln und Knöpfen herum, bis sie die Fensteröffner und Scheibenwischer gefunden und den Sitz nach vorn geschoben hatte, um die Pedale besser erreichen zu können. Zum Schluss schaltete sie die Scheinwerfer ein, weil der Wagen in einer Tiefgarage stand. Sie musste drei Ebenen nach oben fahren, bis sie die Ausfahrt erreichte, wo sie ohne Fragen von einem Angestellten durchgewinkt wurde, der ein starkriechendes Thunfischsandwich aß. Als sie nach draußen in den hellen Sonnenschein kam, blinzelte sie einen Moment, bis sich ihre Augen daran gewöhnt hatten.
Die ländliche Gegend auf dem Weg zum Gefängnis war derjenigen sehr ähnlich, die ihr aus ihrem eigenen Land vertraut war. Auch hier war es das ganze Jahr über warm, und die Häuser hatten Veranden, offene Fenster und holperige Schotterwege, die als Zufahrt dienten. Gelegentlich stand in einem Hof ein nicht mehr funktionierendes Fahrzeug herum, schon lange aufgegeben und vergessen, von hohem Unkraut umgeben. Sie schaltete das Radio ein, fand aber nichts, was ihr gefiel. Nach etwa sechzig Kilometern erspähte sie ein hölzernes Schild mit abblätterndem Anstrich und verblichener Schrift: die Überreste eines Wegweisers zu der Straße, die zu dem Hochsicherheitsgefängnis führte.
Bea fuhr eine gepflasterte Einfahrt hinauf, umrundete einen Platz mit einem hohen Wachturm und erreichte eine Fläche, die mit »Besucher« gekennzeichnet war. Sie parkte den Wagen und ging zu der kleinen Gruppe von Menschen, die auf der gegenüberliegenden Straßenseite vor dem Gefängniseingang stand, und zwar unter einem weiteren hohen verglasten Wachturm, aus dem ein Polizist herunterschaute. Als sie gerade der Frau neben sich eine Frage stellen wollte, brüllte ein Lautsprecher los: »Die nächsten drei. Die nächsten drei eintreten.« Die drei Frauen, die dem Eingang am nächsten standen, lösten sich aus der Gruppe und gingen über die Straße auf den Eingang zu. Bea reihte sich ein und wartete darauf, aufgerufen zu werden. Unter den Besuchern sah sie keine Männer. Es schienen nur Frauen und ein paar Kinder zu sein. Die meisten der Frauen waren Schwarze. In Abständen von ungefähr zwanzig Minuten ertönte die Stimme wieder mit »Die nächsten drei eintreten«. Und die Herde schob sich vorwärts. Endlich kam Bea an die Reihe. In der Mitte eines
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