Traumreisende
das gelang ihm auch. Er lernte laufen und sich in die Arme des Baums zu schmiegen, der ihn umfasste und wiegte, wenn er schlief. Er war über das begrenzte Terrain hinausgewachsen, in dem er sich bewegen konnte. Als man ihn entdeckte, wie er frei seine neue Welt erforschte, machte ihn eine der älteren Angestellten, eine Frau namens Maude, mit den Arbeiten auf der Farm bekannt. Er half ihr, im Garten das Gemüse zu versorgen, im Hühnerstall Eier einzusammeln und kleine Holzstücke aufzustapeln. Sie gab ihm einen abgebrochenen Besen, der klein genug war, dass er ihn handhaben konnte. Er war ein lebhafter und glücklicher Zweijähriger, die meiste Zeit sich selbst überlassen. Maude hatte schon für Howard Willett gearbeitet, bevor er als verheirateter Mann aus England zurückgekehrt war. Sie waren zusammen aufgewachsen - das dachte sie gern. In Wirklichkeit war Howard sechs Jahre älter als sie und immer reich gewesen.
Er hatte den Familienbesitz übernommen, als sein Vater gestorben war, weil Birdie, seine Schwägerin, im Heim seines jüngeren Bruders das Kommando hatte. Sie hatte sich nie vom städtischen Leben trennen wollen und daher ihren Mann gezwungen, auf einen großen Teil seines Erbes zu verzichten und dafür Familienschmuck, feines Porzellan, zartes Leinen und importiertes Tuch mitzunehmen. Howard hatte ihr im Haus seiner Eltern nach deren Beerdigung freie Hand gelassen, und es gelang ihr, genug wundervolle Dinge dort zu finden, um die Ladefläche eines Lastwagens zu füllen, den sie bestellt hatte, damit ihr die Sachen nach Sydney geliefert würden.
Maude kam aus einer viel weniger wohlhabenden Familie. Das Haus ihrer Eltern lag direkt neben einem Pfad, auf dem Rinder vorbeigetrieben wurden. Ursprünglich war das Gelände schön gewesen, gleich bei einem Fluss, der von prachtvollen schattenspendenden Bäumen gesäumt war und reichlich Wasser zur Versorgung der Ernte lieferte. Aber wie sich herausstellte, wurde der Weg zunehmend von den Rinderbaronen in diesem Teil des Landes benutzt, um ihre Herden zur Eisenbahn und zum Markt zu treiben. Das junge Paar konnte nur versuchen, einen kleinen Bereich für seinen eigenen Gemüsegarten zu schützen. Ständig mussten sie damit fertig werden, dass die Hufe alles rings um ihr Haus und zwischen ihrer Vorderveranda und dem Fluss zertrampelten. Es war fast unmöglich, auch nur ein paar Hühner am Leben zu erhalten. Das Problem verschärfte sich, als es zwei Jahre lang nicht regnete und der Wasserspiegel dramatisch sank. Die anderen Siedler rangen der Regierung das Verbot ab, Dämme oder andere Bewässerungssysteme im Fluss zu errichten. Die Ernten von Maudes Eltern überlebten nur mit dem Wasser, das eimerweise zu jeder einzelnen Pflanze getragen werden musste. Sie hatten kein Geld, aus der Gegend wegzuziehen oder sich ein anderes Haus zu bauen. Maude, ihr einziges Kind, besuchte dieselbe Schule und Kirche wie die Willett-Brüder. Vermutlich verliebte sie sich in Howard, als dieser vierzehn war und sie acht. Es gab nicht viele andere Jungen, die ihr die Wahl erschwert hätten. Mit den Jahren ergaben sich keine neuen Aussichten. Als Howards Mutter krank wurde, wurde Maude eingestellt, um für die Familie zu arbeiten. Sie blieb auch noch nach dem Tod der Mutter und auch, als später der Vater starb.
Howard hatte sich Maude gegenüber immer höflich und korrekt verhalten. Er hörte auf zu fluchen, wenn sie den Raum betrat, um seine männlichen Freunde zu bedienen und je nach der Gruppe entweder Tee oder Bier zu servieren. Er machte ihr keinerlei Avancen. Vor seiner Reise nach England war er einmal in die Küche gekommen und hatte, während er sich mit der Haushaltshilfe unterhielt, eine lustige Geschichte erzählt. Maude war sich sicher, dass er ihr zugezwinkert hatte. Als er mit einer jungen Frau aus England zurückgekehrt war, war das für sie eine überraschende und erschütternde Erfahrung gewesen. So blieb es bei mütterlichen Gefühlen ohne Aussicht auf Heirat. Ihr Interesse an dem zweijährigen Geoff war ganz natürlich. Sie konnte sich nicht ganz dazu überwinden, ihn voll zu akzeptieren, weil er eine schwarze Haut hatte, aber sie tat ihr Bestes, damit er beschäftigt war und nicht in Gefahr geriet. Sie glaubte, dass er glücklich sei, wenn er frei herumlaufen konnte, und dass er nichts vermisste, obwohl er weder Mutter noch Familie, noch eine warme Hand hatte, die seine hielt. Er lernte niemals, einen anderen Menschen zu küssen oder zu umarmen.
Als Baby
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