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Traumreisende

Traumreisende

Titel: Traumreisende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlo Morgan
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sammelte sich auf Böden und Möbeln und in den Falten von Vorhängen und Handtüchern. Wenn jemand geschlafen hatte, war nach dem Aufstehen auf dem Kopfkissen die saubere Fläche zu erkennen, wo der Kopf gelegen hatte.
    Eine tägliche Pflicht war das Auswechseln der Fliegenfänger. In jedem Zimmer hing eine lange Spirale Klebeband von der Decke herab, an der jede Fliege hängen blieb, die sich in ihre Nähe wagte. Die Streifen wurden jeden Morgen ausgewechselt, weil sie am Ende des Tages vollständig von Fliegen bedeckt waren. Die meisten starben schnell, aber Geoff wurde immer traurig, wenn er sah, wie sich auf dem Streifen noch etwas bewegte, wenn er ihn in die Mülltonne warf.

    Auf der Rückseite des Haupthauses, hinter den Wassertürmen, lag das übrige Reich der Willetts, fast eine eigene Stadt. Es gab Straßen, wo die Schuppen für Schmiedearbeiten und Reparaturen standen, und solche für die Unterbringung von Maschinen; es gab Schuppen zum Lagern von Lebensmitteln, Quartiere für die Lagerarbeiter, einen Pferdestall, einen Schlafsaal für die Haushaltshilfen, Hundezwinger, Schweineställe, Hühnerställe, getrennte Schlachthäuser für Schweine und Rinder, kilometerlange Reihen von Tierställen. Die Schafe waren in ihren eigenen Gebäuden untergebracht, und in einem anderen Bereich gab es eine komplette Molkerei. Man hatte die Bauten im Laufe der Jahre strategisch sinnvoll platziert und dazwischen Pfefferbäume gepflanzt, die kostbaren Schatten spendeten. Die Schafe brauchten Betreuer, die für die Geburt und die Aufzucht der Lämmer und für die Gesundheitskontrolle verantwortlich waren. Die Schersaison erforderte zusätzliche Helfer und war die größte athletische Bravourleistung des Jahres. Insgesamt war eine komplex gegliederte Verwaltung erforderlich, um Anbau, Ernte, Konservierung und Lagerung der Nahrungsmittel zu überwachen, von denen das gesamte Personal und die Familie Willett lebten.
    Geoff folgte den Arbeitern und Arbeiterinnen, wenn sie ihre Aufgaben erledigten, und beobachtete alle Facetten des Lebens auf der Farm. Er half, wenn er konnte, und alles machte ihm Spaß - von der Beobachtung der Küken, die aus dem Ei schlüpften, bis zum Mischen der Wurstmasse, die in Tierdärme gefüllt wurde. Niemand beaufsichtigte ihn, und so konnte er manchmal die Kängurus beobachten, die mühelos die Zäune übersprangen, oder ein grünschwarzes fußballgroßes Emuei stehlen und sich damit abmühen, es nach Hause zu tragen, bis es zerbrach. Fasziniert sah er zu, wie die Termiten hohe Bauten errichteten, Spinnen ihre Netze woben; er fing Eidechsen, Grashüpfer und Libellen. Jedes mal wenn im bewohnten Bereich der Farm eine Schlange entdeckt wurde, hörte er den Leuten aufmerksam zu, bis er den Unterschied zwischen den harmlosen und den tödlich giftigen kannte. Die Warnungen der Erwachsenen kamen immer in barschem Ton, und so machte er sich lieber selbst kundig. Oft wünschte er sich, jemanden zu haben, dem er vom großen Abenteuer seines Tages erzählen könnte, etwa von dem Morgen, an dem er eine kleine Spinne entdeckt hatte, die vor ihm davonlief und in ein Erdloch schlüpfte, das eine richtige Falltür hatte. Oder von der großen haarigen Spinne, die er neben sich entdeckt hatte und die größer war als seine Hand. Auf den Weiden gab es Vögel in allen Farben, die sich mit den Jahreszeiten veränderten. Er lernte, ihr Zwitschern nachzuahmen. Er kannte ihre bevorzugten Futterplätze. Wenn er die Taschen voller Köstlichkeiten hatte, konnte er ein paar vorwitzige Vögel dazu bringen, sie aus seiner ausgestreckten Hand zu picken. Er war mit so großer Geduld und Anpassungsfähigkeit zur Welt gekommen, dass es ihm gelang, sich ganz wie eine Entenmutter zu verhalten, um mit ihren Jungen zu schwimmen.
    Er fand heraus, dass er, wenn er an der richtigen Stelle stand, niemandem im Weg war und wenn er sich still verhielt, jede Tätigkeit beobachten konnte, ohne gefragt oder auch nur bemerkt zu werden. In der Schersaison, wenn Tausende von Schafen getrennt und eingeteilt werden mussten, waren viele zusätzliche Leute auf der Farm. Die Küche war voll stampfender Füße, Wasser spritzte, Kartoffelschalen lagen herum, und es roch wunderbar. Das eigentliche Scheren fand in einer großen, eigens dazu bestimmten Scheune statt und war über Tage hinweg ein Wettbewerb an Schnelligkeit und Geschicklichkeit. Niemand war für Geoff verantwortlich. Keiner sah nach ihm oder erkundigte sich, wo er sei. Tagelang konnte er sich

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