Traumreisende
Beweisen. Natürlich hatte sie kein Laboratorium und keinen Lehrer. Doch indem sie vorgab, eines Tages vielleicht Krankenschwester werden zu wollen, bekam sie die Erlaubnis, sich Bücher aus dem Wissensschatz der öffentlichen Bibliothek auszuleihen. Zweimal im Monat brachte Pater Paul neue Bände mit und gab die bereits gelesenen zurück.
In diesem Jahr kam Pater Felix zu einem sechsmonatigen Aufenthalt ins Waisenhaus, während Pater Paul in sein ursprüngliches Seminar zurückkehrte. Pater Felix war über seine spezifischen Pflichten aufgeklärt worden und hatte auch von besonderen Aktivitäten wie Beatrices Interesse am Lesen erfahren. Der Unterschied, wie Pater Paul und Pater Felix ihr die Bücher aushändigten, wurde sofort deutlich.
Als Beatrice das private Büro des Priesters betrat, verschloss er sofort die Tür. Die neuen Bücher lagen auf der Kante seines Schreibtischs. Er nahm den hohen ledernen Bürostuhl hinter seinem Schreibtisch und sagte zu ihr, sie solle sich ihm gegenüber hinsetzen, wo sie den Lesestoff in Reichweite hatte.
Er bat sie, sich jeden Band anzusehen und ihm zu sagen, ob er ihr gefiele oder nicht und was sie aus dem Inhalt zu lernen hoffte. Während sie seine Anweisungen befolgte, merkte sie, dass er hinter dem Schreibtisch irgend etwas tat. Seine Hände waren nicht sichtbar, aber seine Oberarme schienen sich zu bewegen.
Nach einigen weiteren Fragen lächelte er und sagte, sie solle zu ihm kommen. Widerstrebend tat sie es; sie wusste nicht, was sie zu erwarten hätte. Irgend etwas in ihrer Magengrube warnte sie und sagte ihr, sein Verhalten sei nicht korrekt. Sie ging um den Schreibtisch herum, wie er ihr befohlen hatte, und sah, dass er mit offener Hose auf dem Stuhl saß, entblößt und sein Glied umfassend. Er scherzte über ihr Interesse an Naturwissenschaft und Biologie und fügte hinzu, sie müsse auch etwas über Anatomie lernen. Er machte keinen Annäherungsversuch, sondern genoss weiterhin das, was er tat. Als Beatrice den Blick abwandte, lachte er. Nachdem er seine Kleidung wieder geordnet hatte, sagte er ihr, es werde ihr nützen zu sehen, was sie für den Rest ihres Lebens versäumen werde. Niemand werde jemals eine Frau mit einem so schlimm vernarbten Gesicht heiraten, die außerdem auch noch chirurgisch unfruchtbar gemacht worden sei. Er schloss die Tür wieder auf und warnte sie, irgend jemandem etwas von dem Gespräch zu erzählen; andernfalls würde er ihr keine Bücher aus der Bibliothek mehr mitbringen.
Ganz benommen verließ Beatrice das holzgetäfelte Büro. Sie begriff nicht wirklich, was geschehen war, was er getan und was er gesagt hatte. Sie war schockiert von seinem Verhalten und davon, das männliche Zeugungsorgan entblößt gesehen zu haben. Und sie war besonders schockiert zu erfahren, dass ihre Operation im Alter von neun Jahren dazu gedient hatte, jede Möglichkeit einer Schwangerschaft auszuschließen.
Sie hatte nie über diese Dinge nachgedacht, nie an Jungen, an Ehe oder Babys gedacht und schon gar nicht an einen Priester, der sich auszog. Sie erzählte niemandem, was geschehen war, aber sie brachte Schwester Margaret dazu, ihr zu bestätigen, dass die Narbe auf ihrem Bauch von einer gynäkologischen Operation stammte. Sie hatte Angst, Pater Felix' Anwe isungen nicht zu befolgen. Zwei Wochen später brachte sie die Bücher zurück, indem sie sie vor der Tür seines Büros ablegte, und danach erhielt sie die neuen Bücher auf die gleiche Weise. Wenn sie im Alter von dreizehn Jahren einem neutralen Intelligenztest unterzogen worden wäre, hätte sie sich mit ziemlicher Sicherheit für eine höhere Schulbildung qualifiziert.
Aber die Barmherzigen Schwestern interessierten sich nicht für Beatrices Intelligenz. Sie legten Wert auf eine Schülerin, die sich still mit sich selbst beschäftigte und keine Schwierigkeiten mehr machte.
Reverend Marshalls Familie verbrachte alle Mittwochabende auf einer Kirchenversammlung. Die Wochenenden und die Sommer waren den Zeltlagern vorbehalten. Das Leben war ständig erfüllt von lautem Gesang, lärmenden Gebeten, weinenden Sündern und schreienden Erlösten. Geoffs Adoptivvater rief seine Familie während der Sitzungen immer früh auf die Bühne. Nora hielt den jüngsten Knaben, der ganz in Weiß gekleidet war, während der ältere, an ihren Beinen lehnend, gewöhnlich ein weißes Hemd und eine winzige Fliege trug, die am frühen Abend noch makellos sauber waren.
Reverend Marshall stellte alle Familienmitglieder
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