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Traumreisende

Traumreisende

Titel: Traumreisende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlo Morgan
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behindere den Fortgang der Arbeit.
    Am späten Nachmittag kam der Mann aus der anderen Richtung zurück, aber er benahm sich eigenartig und roch seltsam. Der Priester wollte ihn verscheuchen und schlug ihn nieder. Dann schrie er den Mann an, er solle aufstehen und verschwinden. Er trat wiederholt nach ihm, um ihn in Bewegung zu setzen, und schließlich gelang es dem Opfer, sich wankend davonzumachen. Auf die Prügel folgte eine Lektion über das Übel von Alkohol.
    Beatrice war auch der Meinung, dass es keine gute Sache sei, und gelobte an diesem Abend, während sie aus dem Fenster auf die Sterne am Himmel schaute, sich nie mit Alkohol einzulassen. Sie hatte das Gefühl, dies sei eine so ernste Verpflichtung, dass sie eine besondere Zeremonie verdiente.
    Sie lieh sich eine Scherbe von einer zerbrochenen Porzellantasse, die das Mädchen im Bett neben ihr mal gefunden hatte, und fügte sich einen Schnitt zu. Als ein paar Tropfen Blut aus ihrer Hand kamen, wiederholte sie ihr Gelübde, keinen Alkohol zu trinken. Für sie war die absichtliche physische Wunde eine herrliche neue Erfindung, aber Jahre später entdeckte sie, dass sie von alters her ein Teil ihres Erbes war.
    Diese wenigen Blutstropfen verursachten einen großen Bruch in ihrem Leben. Die Bettwäsche wurde alle zwei Wochen gewechselt. Am folgenden Tag sollte zufällig die Wäsche von Beatrices Schlafsaal gewaschen werden. Der kleine Schnitt hatte während der Nacht ein bisschen geblutet. In der Waschküche entdeckte Schwester Raphael die Flecken.
    Beatrice wurde ins Büro der Oberin gerufen, wo man sie ausführlich nach dem Blut befragte. Sie konnte ihnen nicht von ihrer Zeremonie erzählen oder warum sie sie durchgeführt hatte, aber sie zeigte ihnen die winzige Wunde. Die beiden Schwestern wechselten einen Blick miteinander, der ihr verriet, dass sie ihre Geschichte nicht glaubten. Sie hatte gesagt: »Hier ist ein kleiner Schnitt, und daher stammt das Blut.« Doch die Nonnen schienen beide ein Geheimnis zu haben, das zu enthüllen sie nicht bereit waren. Nämlich, dass das Blut von etwas anderem stammen könnte als von einer Wunde.
    Eine Woche später wurde eine Gruppe von sechs Mädchen - Beatrice mit ihren neun Jahren war die jüngste davon - früh geweckt und erfuhr, sie seien ausgewählt worden, um in die Stadt zu fahren. Zum Frühstücken sei keine Zeit, sie würden später essen. Alle wurden zur Gemeinschaftsgarderobe geführt, bestehend aus einer Reihe von Holzschränken, die einen Teil der Halle einnahm. Bei den Barmherzigen Schwestern wurden die Kleider nicht auf Bügel gehängt, sondern zu ordentlichen Stapeln gefaltet. Die Mädchen trugen einheitliche Uniformen - weiße Bluse und brauner Rock -, doch bei seltenen Anlässen, wenn sie etwa vor adoptionswilligen Ehepaaren Aufstellung nehmen mussten, bekamen sie von außerhalb gespendete Kleider. An diesem Tag erhielt Beatrice ein marineblaues Kleid mit weißem, mit roter Zackenlitze eingefasstem Bubikragen. Pater Paul fuhr sie in die Stadt, nicht zum Vergnügen, sondern zu einer Klinik.
    Ein seltsamer, sehr starker Geruch drang Beatrice in die Nase, sobald sich die Tür öffnete. Das Wartezimmer war so makellos sauber, dass die Mädchen sich zu unbehaglich fühlten, um sich hinzusetzen, und in einer Reihe an der Wand Aufstellung nahmen. Eine nach der anderen wurde in getrennten Zimmern entkleidet und erhielt ein unförmiges weißes Gewand. Man sagte allen, sie würden geimpft und untersucht werden. Beatrice erinnerte sich, wie eine Schwester ihr eine Nadel in den Arm stach und ihr später eine Maske aufs Gesicht drückte.
    Als sie erwachte, war ihr übel, und sie hatte einen Verband auf dem Bauch. Alle sechs hatten denselben langen Schnitt und mehrere Nahtstiche. Am nächsten Tag kehrten sie ins Waisenhaus zurück und wurden von den anderen getrennt gehalten, bis ihre Narben verheilt waren. Beatrice war Teil des experimentellen Projekts eines jungen, ehrgeizigen Gemeindepfarrers geworden, das Bevölkerungswachstum der Ureinwohner Australiens zu kontrollieren.
    In der Schule war Geoff der beste Ballspieler, und das Lernen fiel ihm leicht. Immer gewann er den Buchstabierwettbewerb seiner Klasse. Aber dennoch war er ein Einzelgänger. Er wurde von den anderen jungen in der Schule nicht gemocht und nicht bewundert. Die Jungen sagten, ihre Eltern hätten ihnen erklärt, er sei zu dunkel, um sich mit ihm anzufreunden.
    Seine einzige große Liebe war das Zeichnen. Er freute sich auf den Kunstunterricht,

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