Traumreisende
weil da reichlich Papier zur Verfügung stand und außerdem Zeichenstifte, Buntstifte, Wasser-und Fingerfarben. Sein Lehrer ließ ihm, wenn die Aufgaben gestellt waren, freie Hand. Er war immer vor den anderen Schülern fertig und leistete glänzende Arbeit, ganz gleich, worin die Aufgabe bestand. Zu Hause gab es kein Malpapier. Er bekam kein Taschengeld und hatte keine Möglichkeit, sich Geld zu verdienen, bis Mr. Schroeder in sein Leben trat.
Mr. Schroeder war ein Kriegsveteran, der allein gegenüber dem Hintergarten der Marshalls wohnte. Er verbrachte sein Leben im Rollstuhl, weil seine Beine ihn nicht mehr trugen. Er war ein bedrückter und zorniger Mann und trank so viel, dass er alle Mitmenschen aus seinem Leben vertrieben hatte.
An einem schönen, warmen Herbsttag, als Geoff hoch oben im Apfelbaum saß, sah er, wie Mr. Schroeder sich abmühte, seinen Müll auszuleeren. Obwohl es über den Zementstufen vor seiner Hintertür eine hölzerne Rampe gab, war das Öffnen der Tür, das Halten des Abfalleimers auf dem Schoß und das Herabfahren auf der ziemlich steilen Rampe nicht einfach. An diesem Tag kippte der Abfalleimer um und fiel herunter. Ein Karton fiel vor den Rollstuhl und blockierte ihn, so dass er nicht mehr vorwärts kam. Die Rampe war nicht breit genug, um den Rollstuhl zu wenden. Mr. Schroeder saß fest und fluchte.
Zufällig blickte er beim Schimpfen und Fluchen auf und sah den Jungen auf dem Baum. Geoff war deutlich zu erkennen, weil die meisten Blätter schon abgefallen waren.
»He, du da! Komm her! Ich brauche deine Hilfe!« rief Mr.
Schroeder über die Höfe hinweg. »Du da, Junge. Kannst du nicht sehen, dass ich Hilfe brauche? Komm her oder hol jemanden, der mir hilft.«
Das Aussehen des unrasierten und ungepflegten Erwachsenen gefiel Geoff nicht. Er hatte ihn schon früher gesehen und draußen auf seinem Hof fluchen hören, wenn er sich mit irgendwelchen Tätigkeiten abmühte. Da der Mann ihn entdeckt hatte, stieg er von seinem luftigen Platz herunter und folgte der Aufforderung. Er verließ das eingezäunte Grundstück der Marshalls, überquerte die ungepflasterte Gasse, die von Mülltonnen gesäumt war, und näherte sich dem im Rollstuhl gestrandeten Mann. Das Vorderrad hatte den Karton teilweise zerdrückt und so geknickt, dass es sich nicht mehr drehen konnte. Geoff versuchte, den Karton herauszuziehen, schaffte es aber nicht.
»Geh hinter mich und zieh mich zurück«, sagte der hilflose Mann. »Vielleicht fällt der Karton dann runter.« Aber das tat er nicht.
»Versuchen Sie, nach unten zu greifen und ihn rauszuziehen, wenn ich Sie zurückziehe«, schlug Geoff vor. »Das ist ein Job für zwei Leute.«
Es war schwer, aber es gelang dem Jungen, den Stuhl so weit zu bewegen, dass sein Plan funktionierte. Als der Rollstuhl frei war, bekam er sofort Fahrt und rollte die Rampe hinunter. Zusammen brachten der Mann und der Junge ihn zum Stehen. Der Mann war der erste, der lachte.
»Du hattest recht. Das war ein Job für zwei Leute. Danke, dass du mir das Leben gerettet hast. Wie heißt du?«
»Geoff, Sir. Geoff Marshall.«
»Freut mich, dich kennen zulernen, Geoff. Du bist ein kräftiger Bursche. Ich saß ziemlich in der Tinte, bis du kamst. Komm herein«, sagte der verkrüppelte Mann. »Ich werde dir eine Belohnung geben.«
»Nein, das ist nicht nötig«, antwortete der Junge.
»Doch, ist es. Komm rein. Oder hast du Angst vor mir? Mein Name ist Schroeder. Ich werde dich nicht beißen. Ich verspreche dir, ich werde dich nicht beißen.«
Geoff schob Mr. Schroeder wieder die Rampe hinauf und in die Küche. Dort erzählten sie sich Geschichten und wurden so miteinander bekannt. Der Junge meinte, seinem Vater werde es nicht gefallen, wenn er Geld dafür nähme, einem Nachbarn zu helfen. Schroeder erklärte, es könne so etwas sein wie ein Lohn. Vielleicht könne Geoff ein paar mal pro Woche nach der Schule zu ihm kommen, um ihm zu helfen. Er könne sich etwas Geld verdienen. Es endete damit, dass Reverend Marshall etwas gegen eine Bezahlung für Geoff hatte, aber der Gedanke, dass der Junge einem verkrüppelten Kriegsveteranen helfe, gefiel ihm. Tatsächlich konnte er das Thema für eine seiner nächsten Predigten verwenden. Schroeder seinerseits gab dem Jungen das Geld nicht direkt.
Er erfuhr von den Dingen, die das Kind sich wünschte, kaufte Zeichenpapier und Farben und bewahrte sie in seinem Haus auf, wo Geoff sie jederzeit benutzen durfte. Sie wurden gute Freunde. Schroeder hatte
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