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Traumsammler: Roman (German Edition)

Traumsammler: Roman (German Edition)

Titel: Traumsammler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Khaled Hosseini
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fällen können.
    Der Tag war heiß, und die Sonne stand an einem Himmel, so makellos blau wie auf den Bildern, die Adel als kleines Kind mit Buntstiften gemalt hatte. Er stellte die Dose Apfelsaft auf den Baumstumpf und begann, mit dem Ball zu spielen, ihn in der Luft zu halten, ohne dass er den Boden berührte. Adels Rekord stand bei achtundsechzig Mal. Er hatte ihn im Frühling aufgestellt, und nun war Sommer, und er versuchte immer noch, ihn zu brechen. Er war bei achtundzwanzig, als er bemerkte, dass er einen Zuschauer hatte. Es war der Junge, der bei dem alten Mann gestanden hatte, jenem Mann, der nach der Eröffnung der Schule um ein Gespräch mit seinem Vater gebeten hatte. Der Junge saß im Schatten des Geräteschuppens.
    »Was tust du hier?«, fragte Adel und versuchte, so barsch zu klingen, wie Kabir mit Fremden redete.
    »Ich genieße den Schatten«, antwortete der Junge. »Verpfeif mich nicht.«
    »Du dürftest gar nicht hier sein.«
    »Du auch nicht.«
    »Was?«
    Der Junge lachte leise. »Egal.« Er reckte die Arme, dann stand er auf. Adel versuchte zu erkennen, ob seine Taschen voll waren. Vielleicht hatte er Obst stehlen wollen. Der Junge ging zu Adel, lupfte den Ball mit einem Fuß in die Luft, kickte ihn ein paarmal in rascher Folge in die Höhe und trat ihn dann mit dem Hacken zu Adel. Adel fing den Ball und klemmte ihn sich unter den Arm.
    »An der Straße, wo wir auf Befehl eures Blödmanns warten sollten, mein Vater und ich? Tja, da gibt es keinen Schatten. Und es steht keine scheiß Wolke am Himmel.«
    Adel fühlte sich verpflichtet, Kabir zu verteidigen. »Er ist kein Blödmann.«
    »Na, er hat jedenfalls dafür gesorgt, dass wir seine Kalaschnikow nicht übersehen konnten.« Er betrachtete Adel mit trägem, spöttischem Grinsen. Dann spuckte er vor seine Füße. »Du bist also ein Fan des Rammbocks?«
    Adel begriff nur mit leichter Verzögerung, wen er meinte. »Ein einziger Patzer ist doch nicht die Messlatte«, sagte er. »Er war der Beste. Ein Magier des Mittelfelds.«
    »Ich kenne bessere.«
    »Ja? Wen zum Beispiel?«
    »Zum Beispiel Maradona.«
    »Maradona?«, fragte Adel aufgebracht. Er hatte mit einem seiner Halbbrüder in Dschalalabad schon einmal über dieses Thema diskutiert. »Maradona war ein Betrüger! Die Hand Gottes, hast du vergessen?«
    »Jeder betrügt, und jeder lügt.«
    Der Junge gähnte und schickte sich an zu gehen. Er war so groß wie Adel, vielleicht ein klitzekleines bisschen größer, und vermutlich auch gleichaltrig. Doch sein lässiger Gang, der den Eindruck erweckte, als könnte ihn so leicht nichts erschüttern, ließ ihn älter wirken.
    »Ich heiße Adel.«
    »Gholam.« Sie schüttelten Hände. Gholam hatte einen festen Händedruck, seine Handfläche war trocken und schwielig.
    »Wie alt bist du?«
    Gholam zuckte mit den Schultern. »Dreizehn, glaube ich. Oder fast vierzehn.«
    »Weißt du denn nicht, wann du Geburtstag hast?«
    Gholam grinste. »Ich wette, du kennst deinen. Ich wette, du zählst die Tage bis dahin runter.«
    »Quatsch«, widersprach Adel. »Ich zähle die Tage nicht runter.«
    »Ich muss los. Mein Vater wartet auf mich, und er ist allein.«
    »Ich dachte, es wäre dein Großvater.«
    »Dann hast du falsch gedacht.«
    »Hast du Lust auf ein Fußball-Duell?«, fragte Adel.
    »Wie ein Elfmeterschießen, meinst du?«
    »Jeder fünf Schüsse.«
    Gholam spuckte wieder aus, sah mit verengten Augen zur Straße, dann zu Adel. Diesem fiel auf, dass Gholams Kinn etwas zu klein für sein Gesicht war und dass der Junge zwei zusätzliche, überstehende Schneidezähne hatte, einer davon angeschlagen und faulig. Die linke Augenbraue wurde von einer kurzen Narbe durchschnitten. Und er stank. Aber Adel hatte, die Besuche in Dschalalabad nicht mitgerechnet, seit zwei Jahren nicht mehr mit Gleichaltrigen geredet, geschweige denn gespielt. Er machte sich auf eine Absage gefasst, doch Gholam erwiderte schulterzuckend: »Scheiße, ja, warum nicht? Aber ich schieße zuerst.«
    Zwei Steine, die sie acht Schritte voneinander entfernt auf die Erde legten, dienten ihnen als Tor. Gholam trat an. Er traf ein Mal, schoss zwei Mal daneben, und zwei Mal konnte Adel problemlos halten. Als Torwart war Gholam noch schlechter. Adel lockte Gholam jedes Mal in die falsche Ecke und versenkte so vier Bälle im Tor. Einen Schuss zog er aus Versehen weit am Tor vorbei.
    »Kleiner Scheißer«, sagte Gholam, der in der Hocke dasaß, die Hände auf die Knie gelegt.
    »Revanche?« Adel

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