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Traumsammler: Roman (German Edition)

Traumsammler: Roman (German Edition)

Titel: Traumsammler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Khaled Hosseini
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versuchte, gleichmütig dreinzuschauen, obwohl er innerlich jubelte.
    Gholam willigte ein. Das Ergebnis fiel noch deutlicher aus. Er schoss wieder nur ein einziges Tor, und Adel traf fünf Mal.
    »Das reicht. Ich bin fertig«, sagte Gholam und hob die Hände. Er trottete zum Baumstumpf und sackte mit einem müden Stöhnen auf das Holz. Adel klemmte sich den Ball unter den Arm und setzte sich neben ihn.
    »Die sind wohl auch keine Hilfe«, sagte Gholam und angelte eine Schachtel Zigaretten aus der Jeanstasche. Er hatte noch eine übrig. Er zündete sie mit einem Streichholz an und atmete zufrieden ein. Dann bot er Adel einen Zug an. Adel fühlte sich versucht, und sei es nur, um Gholam zu beeindrucken, doch er lehnte ab, weil er befürchtete, seine Mutter könnte es riechen.
    »Sehr weise«, sagte Gholam und legte den Kopf in den Nacken.
    Sie plauderten eine Weile über Fußball. Zu Adels freudiger Überraschung kannte sich Gholam bestens aus. Sie sprachen über ihre Lieblingsspiele und Lieblingstore. Jeder nannte seine fünf Top-Spieler; die Listen waren fast gleich, nur nannte Gholam den brasilianischen, Adel den portugiesischen Ronaldo. Sie kamen unausweichlich auf das Endspiel von 2006 zu sprechen, an das sich Adel wegen des Kopfstoßes ungern erinnerte. Gholam erzählte, er habe mit vielen anderen Leuten ganz in der Nähe des Camps vor dem Schaufenster eines Fernsehgeschäfts gestanden und das Spiel geguckt.
    »Welches Camp?«
    »Das Camp, in dem ich aufgewachsen bin. In Pakistan.« 
    Er sei zum ersten Mal in Afghanistan, sagte er zu Adel. Er sei in Pakistan geboren worden und aufgewachsen, genauer gesagt im Flüchtlingscamp in Jalozai. Das Camp habe einer Stadt geglichen: Ein Gewirr von Lehmhütten, Zelten und Baracken aus Plastik und Aluminium, durchzogen von engen, labyrinthischen Wegen voller Müll und Dreck – eine Stadt inmitten einer noch größeren Stadt. Er war mit seinen Brüdern, der nächste drei Jahre jünger als er, im Camp groß geworden. Er hatte mit seinen Brüdern, seiner Mutter, seinem Vater, Iqbal, und dessen Mutter, Parwana, in einer kleinen Lehmhütte gehaust. Sie hatten als Kinder im Camp Sprechen und Laufen gelernt. Sie waren dort zur Schule gegangen. Er hatte auf der Straße mit Stöcken und alten, rostigen Fahrradrädern gespielt und mit anderen Flüchtlingskindern getobt, bis seine Großmutter ihn bei Sonnenuntergang nach Hause rief.
    »Ich mochte es dort«, sagte er. »Ich hatte Freunde. Ich kannte jeden. Und allen ging es gut. Ich habe einen Onkel in Amerika, einen Halbbruder meines Vaters. Onkel Abdullah. Ich bin ihm nie begegnet. Aber er hat uns alle paar Monate etwas Geld geschickt. Das war eine Hilfe. Eine große Hilfe.« 
    »Warum habt ihr das Camp verlassen?«
    »Weil wir mussten. Die Pakistaner haben das Camp aufgelöst. Sie sagten, Afghanen würden nach Afghanistan gehören. Und mein Onkel schickte irgendwann kein Geld mehr. Also meinte mein Vater, wir könnten ebenso gut heimkehren und neu anfangen, zumal die Taliban sich auf die pakistanische Seite der Grenze zurückgezogen hatten. Er sagte, wir seien in Pakistan nur zu Gast und hätten die Gastfreundlichkeit überstrapaziert. Ich war sehr bedrückt. Das hier …« – er schwenkte eine Hand – »… ist ein fremdes Land für mich. Und die Kinder aus dem Camp, die schon einmal in Afghanistan waren? Sie haben nur Schlechtes erzählt.«
    Adel hätte gern gesagt, dass er wusste, wie Gholam sich fühlte. Er hätte ihm gern erzählt, dass er Kabul schrecklich vermisste, seine dortigen Freunde und seine Halbbrüder in Dschalalabad. Doch er ahnte, dass Gholam nur gelacht hätte. Also sagte er: »Ja, stimmt. Ist ziemlich langweilig hier.«
    Gholam lachte trotzdem. »Das haben die Kinder ganz bestimmt nicht gemeint.«
    Adel begriff, dass er gerade verhöhnt worden war.
    Gholam zog an der Zigarette und blies Rauchringe. Sie sahen zu, wie die Ringe davonschwebten und sich dann auflösten.
    »Mein Vater hat zu meinen Brüdern und mir gesagt: ›Wartet ab, bis ihr die Luft in Shadbagh atmet und einen Schluck vom Wasser dort trinkt, Jungs.‹ Er ist hier geboren worden, mein Vater, und auch hier aufgewachsen. Er sagte: ›Ein so kühles und süßes Wasser habt ihr noch nie gekostet, Jungs.‹ Er schwärmte immer von Shadbagh, das während seiner Jugend nur ein winziges Nest gewesen ist. Er hat gesagt, es gebe eine Sorte Trauben, die nur in Shadbagh gedeihe, nirgendwo sonst auf der Welt. Es klang paradiesisch.«
    Adel fragte, wo er

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