Traumsammler: Roman (German Edition)
aber die Hüften sind ausladend, Oberschenkel und Fesseln geradezu dick. Sie trägt wie üblich eines ihrer weiten Kleider.
Idris und Nahil bestellen Lamm mit braunem Reis und bolani . Die Jungen entscheiden sich für ein chapli kabobs , was Hamburgerfleisch am nächsten kommt. Während sie auf das Essen warten, erzählt Zabi seinem Vater, dass er es mit seiner Fußballmannschaft ins Finale geschafft hat. Er spielt Rechtsaußen. Das Endspiel findet am Sonntag statt. Lemar erzählt, dass er am Samstag ein Gitarren-Vorspiel hat.
»Was wirst du spielen?«, fragt Idris, den der Jetlag zu überkommen droht.
» Paint It Black .«
»Sehr gut.«
»Hast du auch wirklich genug geübt?«, fragt Nahil vorsichtig.
Lemar lässt die Papierserviette fallen, die er gerade aufgerollt hat. »Mann, Mom! Siehst du nicht, wie viel ich jeden Tag um die Ohren habe? Jede Menge!«
Während sie essen, tritt Abdullah an ihren Tisch. Er wischt sich die Hände an der Schürze ab, fragt, ob es ihnen schmeckt und ob sie noch etwas möchten.
Idris erzählt, dass Timur und er gerade aus Kabul zurückgekehrt sind.
»Was treibt Timur jan so?«, fragt Abdullah.
»Den üblichen Schabernack.«
Abdullah grinst. Idris weiß, wie sehr er Timur mag.
»Und wie läuft das Kabob-Geschäft?«
Abdullah seufzt. »Müsste ich jemanden verfluchen, Dr. Bashiri, dann würde ich sagen: Möge Gott ihm ein Restaurant schenken.«
Sie lachen.
Später, sie haben das Restaurant verlassen und steigen in den SUV, fragt Lemar: »Darf hier jeder umsonst essen, Dad?«
»Aber nein«, sagt Idris.
»Warum hat er unser Geld ausgeschlagen?«
»Weil wir Afghanen sind und ich sein Arzt bin«, sagt Idris, obwohl das nicht ganz der Wahrheit entspricht. Der eigentliche Grund besteht darin, dass er Timurs Cousin ist, und Timur hat Adullah vor Jahren das Geld für die Eröffnung des Restaurants geliehen.
Idris stellt zu seiner Überraschung fest, dass zu Hause im Eingangsflur, im Wohnzimmer und auf der Treppe die Teppiche fehlen. Dann fällt ihm wieder ein, dass sie ja dabei sind zu renovieren und die Teppiche gegen Hartholzdielen zu tauschen, deren Farbe den klangvollen Namen »Kupferkessel« trägt. Die Türen des Küchenschranks sind abgeschliffen worden, und dort, wo die Mikrowelle stand, gähnt ein großes Loch. Nahil sagt, dass sie am Montag nur halbtags arbeiten wird, um sich vormittags mit den Fußbodenverlegern und Jason treffen zu können.
»Jason?« Dann erinnert sich Idris: Jason Speer, der Heimkino-Typ.
»Er misst alles aus. Er hat uns mit Rabatt einen Subwoofer und einen Projektor besorgt. Am Mittwoch beginnen drei seiner Leute mit der Arbeit.«
Idris nickt. Er wünscht sich seit langem eine Heimkinoanlage und hat die Sache angeleiert, aber sie ist ihm jetzt peinlich. Er fühlt sich allem entfremdet – Jason Speer, den aufgearbeiteten Schränken und kupferkesselfarbenen Dielen, den 160-Dollar-Turnschuhen seiner Söhne oder den Tagesdecken aus Chenille, der Energie, die Nahil und er in dieses Projekt gesteckt haben. Er empfindet die Früchte seines Ehrgeizes auf einmal als frivol, denn sie führen ihm die deutliche Diskrepanz zwischen seinem Leben und dem Kabuler Alltag vor Augen.
»Was hast du, Liebling?«
»Jetlag«, sagt Idris. »Ich muss mich kurz hinlegen.«
Er lässt am Samstag das Gitarrenvorspiel über sich ergehen, am nächsten Tag Zabis Fußballspiel. Während der zweiten Halbzeit stiehlt er sich zum Parkplatz davon, um eine halbe Stunde zu schlafen. Zum Glück fällt es Zabi nicht auf. Am Sonntagabend kommen Nachbarn zum Essen. Sie betrachten die Fotos von Idris’ Reise und schauen sich höflich das einstündige Video von Kabul an, das Idris nur auf Drängen von Nahil zeigt. Sie erkundigen sich beim Essen nach der Reise, seiner Meinung zur Lage in Afghanistan. Er nippt an seinem Mojito und antwortet kurz und knapp.
»Schwer vorstellbar, wie es dort ist«, sagt Cynthia, die im Fitnessstudio, in dem Nahil trainiert, Pilates-Lehrerin ist.
»Kabul ist …« Idris sucht nach den passenden Worten. »… tausend Tragödien pro Quadratmeile.«
»Muss ein ziemlicher Kulturschock gewesen sein.«
»O ja.« Idris verschweigt, dass er den wahren Kulturschock nach seiner Heimkehr erlebt hat.
Schließlich reden sie über die Serie von Postdiebstählen im Viertel, die sich vor kurzem zugetragen hat.
Später, sie liegen schon im Bett, fragt Idris: »Findest du, dass wir all diesen Krempel unbedingt brauchen?«
»Krempel?«, erwidert Nahil und sieht ihn
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