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Traumschlange

Titel: Traumschlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vonda N. McIntyre
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nicht in der geeigneten Stimmung. Schlange seufzte, wälzte sich herum und erhob sich erst einmal, da dies mühsam genug war, auf die Knie. Vor ihr lag bleich und klamm Melissa; ihre Arme und Beine waren von Streifen geronnenen Blutes gezeichnet.
    Schlange hob Melissa erneut auf ihre Schulter; ihr rechter Arm war nahezu unbrauchbar. Sie bot alle vorhandenen Kräfte auf und kämpfte sich empor auf die Füße. Der Tragegurt verrutschte und fiel in ihre Armbeuge. Sie tat einen Schritt nach vorn. Der Korb stieß gegen ihr Bein. Ihre Knie zitterten. Sie trat um einen zweiten Schritt vor, und aus Furcht um Melissas Leben verschwamm ihr Blickfeld.
    Als sie auf die Wiese torkelte, rief sie nochmals nach dem Pony. Sie vernahm Hufschlag, aber sie sah weder Eichhörnchen noch Wind, nur den Gaul des Verrückten; er lag im Gras, die Nase ins Erdreich gedrückt.
    Arevins Kleidung aus Moschusochsenwolle schützte ihn vor Regen so gut wie vor Hitze, Wind und Wüstensand. Er ritt durch den sozusagen frisch gewaschenen Tag,streifte überhängende Äste, die ihn mit zahllosen ihrer eingefangenen Tröpfchen überschütteten. Bis jetzt hatte er von Schlange noch keine Spur entdeckt, doch dies war weit und breit der einzige Pfad. Sein Pferd hob den Kopf und wieherte laut. Von jenseits eines dichten Gehölzes ertönte ein Antwortwiehern.
    Arevin hörte das Trommeln von Hufen auf hartem, feuchtem Untergrund, und dann kamen ein graues Pferd und das Tigerpony durch eine Biegung des Pfads in sein Blickfeld galoppiert. Das Pony schlitterte, blieb stehen und tänzelte seitwärts näher, den Hals gewölbt. Die graue Stute lief vorbei, wirbelte herum, galoppierte spielerisch ein paar Schritte weit und blieb ebenfalls stehen. Während die drei Pferde sich gegenseitig zur Begrüßung den Atem in die Nüstern bliesen, beugte sich Arevin zur Seite und kraulte das Tigerpony hinter den Ohren.
    Beide Pferde Schlanges waren in ausgezeichneter Verfassung. Die Graue und das Tigerpony liefen nicht frei herum, wäre Schlange in jemandes Gewalt geraten;sie waren zu wertvoll. Und wären die Pferde bei einem Überfall entlaufen, so trügen sie noch ihre Sättel und das Zaumzeug. Schlange konnte in keiner Gefahr schweben. Arevin wollte schon ihren Namen rufen, doch im letzten Augenblick überlegte er es sich anders. Zweifellos war er zu argwöhnisch, aber nach allem, was er mittlerweile erlebt hatte, hielt er Vorsicht für vernünftig. Ein bißchen mehr Geduld würde ihn nicht umbringen.
    Er hob seinen Blick zum nächstliegenden Hang, der in felsige Klippen und in größerer Entfernung in regelrechte Gipfel mündete, sah kümmerlichen Pflanzen-wuchs, Flechten... und die Kuppel. Sobald er erkannt hatte, um was es sich handelte, begriff er, warum sie ihm nicht sofort aufgefallen war; als einzige Kuppel von allen, die er jemals gesehen hatte, wies diese hier Schäden auf: ein Umstand, der genügte, um sie zu tarnen. Dennoch stand dort oben unfraglich eine Kuppel der Vorfahren, die größte überdies, von der er je gehört und die er je erblickt hatte. Arevin bezweifelte nicht, daß sich Schlange irgendwo dort oben aufhielt. Das war die einzige Möglichkeit, die irgendeinen Sinn ergab. Er trieb sein Pferd an, folgte den unübersehbaren Hufabdrücken, welche die beiden anderen Pferde im Morast hinterlassen hatten. Er zügelte sein Tier wieder, als er etwas zu hören glaubte. Er unterlag keiner Täuschung; auch die Pferde lauschten, ihre Ohren aufgerichtet. Dann hörte er den Ruf nochmals, und er wollte eine Antwort schreien, aber jeder Laut erstickte in seiner Kehle. Er preßte seinem Pferd so plötzlich und heftig die Beine in die Flanken, daß das Tier beinahe aus dem Stand in einen Galopp verfiel und jene Richtung einschlug, woher die Stimme der Heilerin ertönte, wo sich Schlange befand.
     
    Gefolgt vom Tigerpony und der grauen Stute kam ein kleines schwarzes Pferd auf der anderen Seite der Lichtung aus den Bäumen gesprengt. Im ersten Moment der Erbitterung verfluchte Schlange den unglücklichen Zufall, daß ausgerechnet jetzt einer von Norths Anhängern zu ihm zurückkehren mußte. Und dann erkannte sie Arevin. In ihrem Staunen vermochte sie ihm nicht entgegenzulaufen, kein Wort hervorzubringen. Er schwang sich vom Pferd, obwohl es sich noch in schnellem Galopp befand; er lief herüber, hinter ihm wehte seine Wüstenrobe.
    Sie starrte ihn an, als wäre er eine Erscheinung, denn daß er dies sei, davon war sie tatsächlich überzeugt, auch noch, als er zum

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