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Traumtagebuecher

Traumtagebuecher

Titel: Traumtagebuecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Sarafin
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Klaus schien besorgt.
    »Ist nur meine erste Leiche«, erklärte ich abwesend, während ich auf die Hand meines Großvaters starrte. Sie hielt immer noch den Stift, lag aber nicht mehr auf einem rosafarbenen Papier.
    »Wo ist der Zettel?« Ich trat an Klaus vorbei, doch Donovan stellte sich mir in den Weg. »Welcher?«
    »Er«, ich deutete auf die Leiche, »hatte so einen«, ich zeigte auf den Totenschein, »vor sich liegen.«
    Einen Augenblick lang musterte mich der Sheriff, seine kalten blauen Augen, noch eisiger als sonst, dann drehte er sich zum Schreibtisch. »Da ist kein rosafarbener Zettel.«
    »Ach!« Beinahe hätte ich mit dem Fuß aufgestampft.
    »Bist du dir sicher?« Klaus trat neben mich und sah sich in dem chaotischen Zimmer um.
    »Nein, ich erfinde das.«
    »Kein Grund pampig zu werden«, maulte Donovan, sah sich aber nicht um.
    »Da WAR ein rosafarbener Zettel«, beharrte ich. Eben WAR er noch da gewesen. Jetzt nicht mehr.
    »Vielleicht hat ihn dieser Jonah?«, schlug Klaus vor. Sein Blick fing den des Sheriffs ein und die stumme Kommunikation zwischen ihnen war so ein seltsames Freundschafts-Duell. Klaus behielt die Oberhand.
    Donovan rollte mit den Augen und sagte »Ich frage den Jungen«, obwohl er so aussah, als würde er überall lieber sein, als in Jonahs Nähe. Dabei hatte doch jeder von uns Gelegenheit gehabt, den rosa Wisch an sich zu nehmen – jeder, außer Jonah.
    Während der Sheriff zu Jonahs Zimmer abbog, folgte ich Klaus und Meg nach unten. Dabei fühlte ich mich zum ersten Mal so, als sei wirklich alles meine Schuld. Sogar das Verschwinden des Blattes. Hätte ich vorher gewusst, dass das Dokument wichtig war, hätte ich doch auf mehr geachtet, als auf das Datum und … der plötzliche Schwindel kam zusammen mit dem Begreifen und ich musste mich am Türrahmen festkrallen, um nicht den Halt in der Realität zu verlieren. Wie durch Watte gefiltert nahm ich wahr, dass mich jemand von der Seite hielt und zwei Schritte weiterführte. Zu dem Stuhl auf der Veranda.
    »Keine Panik«, Klaus` Stimme drang durch den Nebel und die hämmernden Gedanken in meinem Hirn und verwandelte alles, an was ich geglaubt hatte. »Nach meiner ersten Leiche ging es mir deutlich schlechter.«
    Ich starrte meinen Stiefonkel an, doch er sah aus wie immer. Keine Schuldgefühle, nur Klaus. Aber warum flüsterte dann meine innere Stimme: Seine erste Leiche? Was war mit der zweiten und dritten?
    Von irgendwoher brachte ein hilfreicher Polizist ein Glas Wasser. Klaus reichte es mir an. Ich nahm es mit zittrigen Fingern entgegen und verschluckte mich prompt. Doch die Tränen, die mir während des Hustenanfalls die Wangen hinabliefen, kamen nicht davon, sondern von der Trauer um meine Eltern. Von ihrem Totenschein neu angefacht.
    »Geht es wieder?« Meg klopfte mir einige Male auf den Rücken.
    »Ja«, behauptete ich, nur damit sie damit aufhörte.
    »Weißt du, was noch weg ist?« Klaus, der sich neben mich gehockt hatte, stand auf, wartete aber nicht auf eine Antwort. »Die Uhr.«
    Natürlich … Ich unterdrückte ein neuerliches Husten.
    »Wenn du sie zurückgeschickt hast, muss sie doch hier sein.«
    Ich zuckte nonchalant mit den Schultern. »Vielleicht ist sie noch nicht angekommen oder auf dem Postweg verlorengegangen.« Da mich Klaus immer noch skeptisch beäugte, fügte ich hinzu: »Mich würde nicht mal wundern, wenn er sie heute in meiner Post ist.«
    »Mich auch nicht.« Die Resignation in Klaus` Stimme war beinahe mitleiderregend. Aber eben nur beinahe, denn im selben Augenblick hatte er meinen Rucksack an sich gebracht und geöffnet.
    »Was …?« Ich sprang auf, verharrte aber unter seinem Blick. Verwirrt sah ich zu, wie er den Inhalt meine Tasche durchwühlte und schließlich Meg zunickte. Wortlos trat sie zu mir und klopfte meine Hose ab. Als ihre Hände zu meinen Jackentaschen glitten, reichte es. Klaus war schneller. Er unterband meine Abwehrbewegung und Meg hatte meine Jacke geprüft, bevor ich mich dazu entschließen konnte, wirklich zu kämpfen.
    Abrupt ließ mich Klaus los und auch Tante Meg trat einen Schritt zurück. Das Ganze war so schnell geschehen, dass niemand etwas mitbekommen hatte – oder den Vorgang hätte deuten können.
    »Zufrieden?«
    Obwohl Klaus nicht zufrieden wirkte, nickte er. Offenbar war ich doch nicht die einzige, die der Uhr mit gemischten Gefühlen gegenüberstand. Einen Moment lang kämpfte der Wunsch, die Wahrheit zu sagen und zu erfahren gegen meinen anerzogenen Argwohn,

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