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Traumtagebuecher

Traumtagebuecher

Titel: Traumtagebuecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Sarafin
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Zumindest ein bisschen. Bevor er meinen Versuch, Abstand zu gewinnen abrupt unterband.
    Der plötzliche Kuss gierig und rücksichtslos. Er überrumpelte mich vollkommen … erst Recht, als sich seine Hand an meinen Hinterkopf legte und der Kuss langsamer wurde, sanfter und intensiver.
    Genauso plötzlich wich er zurück. In einem Moment küsste er mich so leidenschaftlich, dass mein ganzer Körper kribbelte und im nächsten funkelte er mich wütend an. So wütend hatte ich ihn nur einmal in meinem Leben gesehen – und beinahe mit besagtem bezahlt.
    Warum war er so verärgert? Der Kuss war ja schließlich nicht direkt unangenehm gewesen.
    »Warum hast du das gemacht?«, fragte ich stattdessen. Wie ein Vollidiot in einem schlechten Film.
    Einen Moment lang wirkte er immer noch rasend, dann sah er mich mit einem Ausdruck an, den ich so noch nie an ihm gesehen hatte. Sehnsüchtig, verletzlich und verwirrt.
    »Weil ich ein verdammter Idiot bin«, gab er zu. Seine Stimme klang resigniert und einsichtig und die Aussage war in meinen Augen eine verdammt gute Selbsterkenntnis.
    Dann schien sich seine Aura – oder vielleicht war das auch nur seine übliche Arroganz – wieder um ihn zu sammeln. Ich konnte förmlich sehen, wie er sich vor mir abschottete und ich abermals zum Feind wurde. Er richtete sich auf und ging an mir vorbei, als sei das kurze Intermezzo meiner Fantasie entsprungen. Doch anders als die Schatten vorhin, war es das nicht.
    »Wohin gehst du?« Ich kam nicht umhin zu erkennen, wie winzig meine Stimme klang.
    Er blieb stehen und so lange still, dass ich glaubte, er würde gar nicht antworten. Als er es schließlich tat, klang er milde belustigt. »Nach Hause.«
    Ich nickte, obwohl er es nicht sehen konnte. Hausnummer 13. Alles klar. Wenn er das Spiel weiterspielen wollte, bitte. Aber ich musste noch einmal zurück. Was immer im Büro meines Großvaters lauerte – falls dort überhaupt etwas lauerte – ich musste hin und das Geheimnis lüften. Für Daria. Auch wenn mich die Uhr ebenso in Teufels Küche bringen würde, wie die nächste Frage. »Tust du mir einen Gefallen, Jonah?«

Kapitel 19
    Ich schlich hinter Jonah die Treppe nach oben. Obwohl ihm meine Furcht einen gehörigen Schrecken verpasst haben musste, bewegte er sich selbstsicher und furchtlos wie immer. Ein Umstand, den ich beinahe noch unheimlicher fand, als die Schatten vorher – aka meine hysterische Halluzination.
    Jetzt jedenfalls war weit und breit nichts wirklich Gruseliges zu entdecken. Nur Jonah, der perfekt in die Umgebung passte, so perfekt, dass ich … ich blieb stehen, als der Groschen fiel. »Nach Hause?«
    Plötzlich hatte ich eine sehr genauen Verdacht, wer der finstere Gothiktyp war, der in dem finsteren Gothikraum wohnte. Aber Jonah ging nicht auf mich ein. Weder auf mein Stehenbleiben, noch auf meine Worte. Ungerührt ging er weiter, an seinem potentiellen Zimmer vorbei, und blieb erst in der Tür zum Arbeitszimmer stehen. Sekundenlang wirkte er schockiert und betroffen. Ich war es. Entweder hatte ich mich geirrt – oder Jonah hat bisher nichts von dem Tod meines Großvaters – seines Was-auch-immer gewusst.
    Trotzdem sah er die Uhr im selben Moment wie ich, doch ich reagierte schneller und bückte mich zu ihr.
    »Nein!«, befahl er. Ein sehr bestimmtes »Nein«. Es hätte aus dem Mund eines Vaters stammen können, der sein Kind warnte auf die Straße zu laufen. Bei mir war der Tonfall verschwendet. Ich nahm die Uhr trotzdem.
    Nichts geschah.
    »Wieso »Nein«?« Ich drehte mich zu Jonah um und sein Gesicht wechselte seinen Ausdruck im Takt seiner Gedanken. Von Trauer über Verwirrung, Wut und Unschlüssigkeit. Sollte er die Wahrheit sagen, oder eine Geschichte erzählen?
    »Der Besitz der Uhr ist gefährlich«, gab er schließlich zu und zum ersten Mal erkannte ich nichts als Ehrlichkeit in seinem Blick.
    »Für wen?«
    Ein Lachen hinter mir beantwortete meine Frage. Wider besseres Wissens drehte ich mich um und konnte einen Augenblick lang nur wirbelnde Schatten in allen Schattierungen erkennen, wo eben noch ein freundlicher, heller Flur gewesen war. Dann verschob sich die Realität.
    Nicht zu meinen Gunsten.
    Jonah legte seine Hand auf meine Schulter und wirbelte mich zu sich herum. Er stand so nah vor mir, dass ich mich beinahe in ihm befand. Kurz umfing mich seine Wärme wie eine alte Bekannte und derselbe Ausdruck, der direkt vor dem Kuss über sein Gesicht gehuscht war, lag wieder auf seinem Antlitz. Dieses Mal

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