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Traumtagebuecher

Traumtagebuecher

Titel: Traumtagebuecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Sarafin
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beherrschte er sich.
    »Hörst du eigentlich nie auf gute Ratschläge?« Er wirkte belustigt. Zumindest bis er einen Blick über meine Schulter mich warf. Allein sein Gesichtsausdruck reichte, um mir das Grauen vor Augen zu führen, das sich hinter mir befand. Schlimme, schreckliche Dinge – und er sah sie auch.
    Mein Herz begann zu rasen, instinktiv wollte ich mich von Jonah losmachen und umdrehen, um Gewissheit zu haben. Doch er verstärkte den Griff an meinen Schultern. Kurz war ich dankbar für die Ablenkung, aber dann konnte ich nicht anders, als der Neugierde nachzugeben. Mit einem Ruck befreite ich mich und wandte mich um. Wie gebannt starrte ich auf das Schrecken vor mir und Panik flossen durch meine Adern, lähmten meinen Verstand ebenso wie die seltsame, distanzierte Faszination die in meinem Blut pulsierte. Aber nicht genug, denn nach Sekunden begannen die verwirrenden Einzelteile ein Gesamtbild zu ergeben. Mein Fluchtinstinkt übernahm die Kontrolle und … das laute Aufheulen eines Martinshorns auf der Straße vor dem Haus schockierte mich und riss mich zurück in die Realität.
    Vor mir war nichts. Kein Schatten, kein Schrecken. Nichts. Nur ein leerer, heller Flur. Und Jonah wirkte, als wäre nichts geschehen. Ich blinzelte, doch der Anblick blieb derselbe.
    Unten wurde die Haustür aufgerissen und das Geräusch schwerer Schritte und die obligatorisch gerufenen Warnungen unterbrachen die Stille des Hauses. Die Polizei. Oh Shit! Den Anruf hatte ich ganz vergessen.
    Immer noch rauschte Adrenalin durch meine Adern und die Befehle »weglaufen« und »angewurzelt stehenbleiben« stritten um die Vorherrschaft über meinen Körper. Dabei wurden die Flucht und das Fenster immer verlockender.
    Jonah schien meine Gedankengänge genau nachzuvollziehen, denn er grienst breit und die Herablassung, die er für mich reserviert hatte, war wieder in seinem Gesicht erkennbar.
    »Lauf!«, bot er an.
    Obwohl sein Angebot verständnisvoll geklungen hatte, war es seine herablassende Art, die mich den Kopf schütteln ließ – noch bevor mein Verstand eingreifen konnte.
    »Wir sind hier oben!«, rief das kleine Teufelchen aus meinem Mund, drückte Jonah die Uhr in die Hand und genoss seine Reaktion. Einen Moment lang wurde er leichenblass und starrte mich an, als sei ich das Schlimmste, was ihm je passiert war.

    Etliche Fragen, Erklärungen und Anrufen später, waren auch die Polizisten und Sheriff Donovan von meiner Geschichte und der Wahrheit überzeugt worden. Wie sich herausstellte, war Jonah tatsächlich der Junge, der in dem unheimlichen Raum lebte. Korrektur: der unheimliche Junge, der in dem unheimlichen Raum lebte. Und er war überhaupt nicht amüsiert über den Tod meines Großvaters. Meine Stiefeltern, die nach der Alarmierung durch Donovan ebenfalls eingetroffen waren, waren mindestens ebenso entsetzt.
    Obwohl sie sich sofort zu mir gesellten – und Jonah demonstrativ ausschlossen – waren ihre Enttäuschung, Wut und der Argwohn beinahe körperlich zu spüren.
    Auch für sie spulte ich die Geschichte, die ich inzwischen gefühlte hundertmal erzählt hatte, ab. Nur den Kuss ließ ich aus – naja und die Uhr, aber die gehörte ja inzwischen schon zu meinem Standard-Lügen-Repertoire. Als ich endete, war der Argwohn in Klaus` Augen verschwunden und nur noch die Enttäuschung übriggeblieben. Mit keinem Wort hatte ich ihm eine echte Erklärung geboten. Konnte ich ja auch schlecht. »Ich glaube, meine Ex-Uhr hat was mit den schlafenden Mädchen zu tun«, klang mindestens so paranoid, wie »Ich habe Alpträume, sehe Schatten und denke, mein Großvater könnte mir dazu was erklären.« Obwohl … die beiden Optionen waren immer noch besser als »Ich wollte meiner entflohenen, kleinkriminellen Freundin helfen und deswegen bin ich zu meinem potentiell gefährlichen Großvater gefahren.« Tja, manchmal konnte einen die Wahrheit eben doch noch tiefer in die Schei… reiten als die Lüge.
    »Aber ansonsten ist alles in Ordnung mit dir? Dir ist nichts passiert?« Klaus musterte mich aufmerksam und einen Moment lang fragte ich mich, ob er mir meine Halluzinationen ansehen konnte.
    »Ja, alles in Ordnung«, ich warf einen letzten Blick in das Arbeitszimmer, das inzwischen nicht mehr randvoll mit Polizisten war. Nur noch der Sheriff und der sich mit dem Gerichtsmediziner, der den rosa Totenschein ausgefüllte. Rosa? Moment mal! Der plötzliche, eiskalte Griff umfasste mein Innerstes und ließ mich frösteln.
    »Was ist?«

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