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Traumtagebuecher

Traumtagebuecher

Titel: Traumtagebuecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Sarafin
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die allgemeine Paranoia und das Wissen um den verschwundenen Totenschein. Wie konnte ich Klaus und Meg die Wahrheit sagen, wenn die Möglichkeit bestand, dass es mehr mit dem Tod meiner Eltern auf sich hatte, als ich bisher erfahren hatte? Denn wieso sollte ausgerechnet ihr Mörder den Totenschein haben?
    Donovan trat aus dem Haus und gesellte sich zu uns. »Wir denken, dass es ein natürlicher Tod war«, meinte er, »schließlich war Talbot 87 Jahre alt.« Er reichte Klaus das Klemmbrett. »Einer von euch muss als Kontaktperson der minderjährigen Zeugin Elisabeth de Temples unterschreiben.«
    Klaus unterschrieb und kurz huschte Erleichterung über Megs Miene. Hatten die beiden etwa geglaubt, ich hätte etwas mit dem Tod Talbots zu tun?
    »Wenn ihr wollt, könnte ihr jetzt nach Hause.« Donovan gab mir meinen Ausweis zurück. »Falls wir noch Fragen haben, melden wir uns.«
    Der Rothaarige schenkte mir ein aufmunterndes Lächeln. Dann drehte er sich zu Jonah, der auf die Veranda getreten war und den Abtransport der Leiche beaufsichtigte. Ein flaues Gefühl kroch durch meine Eingeweide. Es war einfach nicht richtig. So sollte es nicht laufen. Nicht einfach so mit dem Tod meines Hauptverdächtigen … meines Großvaters.
    »Ich …« machte einen Schritt hinter Donovan her, raus aus der Deckung meiner Stiefeltern. »Was passiert jetzt mit ihm?« Ich musste es einfach wissen. Wenn ich schon keine Chance gehabt hatte, ihn kennenzulernen, wollte ich doch wenigstens jetzt an dem beteiligt werden, was weiter mit ihm geschah.
    »Wir prüfen erst einmal, ob es wirklich ein natürlicher Tod war und finden heraus, was er verfügt hat – falls er etwas verfügt hat.«
    »Und falls nicht?«, verzögerte ich unseren Abgang, doch ärgerlicherweise reagierte Sheriff Donovan nicht mehr, sondern schloss sich dem Abtransport an. Haarscharf war ich am Familiengeheimnis vorbeigeschlittert und hatte noch immer das Gefühl, die Wahrheit sei zum Greifen nahe. Wäre ich doch nur an dem Tag hergefahren, als ich bei meinen Internetrecherchen auf Talbots Adresse gestoßen war – oder auch nur einen einzigen, verdammten Tag eher.
    »Keine Sorge, Ranulf hat ein Testament hinterlassen«, meinte Jonah. Es klang tröstlich und aus seinem Gesicht war jeder Spott und jede Spur von Herablassung verschwunden. Es war beinahe unheimlich. Aber nur beinahe, denn die Reaktion meines Stiefonkels war WIRKLICH unheimlich.
    Er trat einen Schritt vor, unterbrach meinen Blickkontakt zu Jonah und meinte: »Wenigstens einer von euch beiden war clever … du stehst auf meiner Liste, Jonah Jaro.«
    Sekunden später wurde ich von Meg und Klaus von der Veranda und Richtung Auto geschoben. Trotzdem konnte ich noch einen Blick auf Jonah erhaschen. Ich hatte ihn noch nie verängstigt gesehen, doch der Ausdruck in seinem Gesicht kam guter alter Angst sehr nahe. Vor wenigen Wochen wäre ich sehr glücklich darüber gewesen, diesen Ausdruck zu sehen, heute brachte er mich zum Zittern.

    Hinten im Jeep zwischen David und Max eingeklemmt, fühlte ich mich wie in einem schlechten Agentenfilm und erwartete eine fürchterliche Standpauke. Sie blieb aus. Das Schweigen war unheimlich und verstörender. Es breitete sich aus, bis selbst meine aufgewühlten Gedanken Ruhe gaben. Ich fühlte mich schuldig. Und genaugenommen war ich es auch.
    Zuhause angekommen, wurde ich nach oben geschickt. Der Rest der Familie bog in Richtung Küche ab. Zum allerersten Mal schienen sich alle einig zu sein, denn die Diskussion verlief sehr unspektakulär und niemand schien sich daran zu stören, dass ich noch immer auf der Treppe war – auf dem Weg in mein Zimmer. Aber vielleicht wussten sie es auch und sprachen deswegen so leise, dass ich kein Wort verstehen konnte.
    Ich blieb stehen und wog meine Möglichkeiten gegeneinander ab. Das Fazit war denkbar einfach: Mehr Ärger als jetzt konnte ich eigentlich gar nicht mehr bekommen. Leise schlich ich zurück, umrundete Tiger, machte einen großen Schritt über die knarrende Stufe und platzierte mich in der Garderobennische. Trotzdem verstand ich kein Wort. Verflixt!
    Gerade, als ich beschlossen hatte, mich näher heranzuschleichen, passierten zwei Dinge gleichzeitig. Ich sah den rosafarbenen Zettel, der aus Klaus Jacke lugte und das erste »Tick« in meiner Hosentasche erschreckte mich zu Tode. Wann hatte Jonah denn die gottverdammte Uhr wieder zurück in meine Hose geschmuggelt? Und warum? Ich zog das Schmuckstück aus der Jeans und starrte es an.

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