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Traumtagebuecher

Traumtagebuecher

Titel: Traumtagebuecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Sarafin
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gingen in die erste Etage. Ich wartete, bis sie die Sektion für Literaturwissenschaften betraten und die Tür hinter ihnen zugefallen war. Erst dann folgte ich ihnen. Anders als die beiden, nahm ich den Eingang zur Abteilung nebenan und ging durch die offenen Innentüren weiter, bis ich sie hören konnte. Mein Verdacht erhärtete sich, auch wenn ich noch keine Worte ausmachen konnte. Die dritte Stimme war die von Rektor Simons. Bei Mädchen hätte ich sofort gedacht, dass sie etwas ausheckten. Und so? Ich war mir nicht sicher. Die drei kannten sich seit Jahren. Zusammen mit Klaus waren sie so etwas wie die Super-Freunde-Clique der Stadt.
    Ich schlich hinter dem Bücherregal näher und tat, als suche ich dort etwas. Nur für den Fall, dass jemand mich bemerkte. Immer noch konnte ich nur Fragmente ihrer leisen Unterhaltung aufschnappen. Sie unterhielten sich über das schlafende Mädchen. Simons und Sheriff Donovan konnte ich in diesem Zusammenhang durchaus nachvollziehen; auch den sonderbaren Ort ihres Gespräches. Aber was hatte der Chef der hiesigen Feuerwehr mit der Sache zu tun? Und warum wollten sie deswegen meinen Stiefvater anrufen? Es ergab einfach keinen Sinn.
    Nur um ihre Reaktionen zu sehen, bog ich um die Ecke und verharrte wie überrascht. »Oh, Hallo!«
    »Hallo, Liz.« Donovan und Simons wirkten schuldbewusst, der Sheriff misstrauisch. Aber er war der erste, der sein Erstaunen wieder im Griff hatte und mir seine Hand reichte. »Und, schon eingelebt?«
    »Ja, Rektor Simons macht es einem leicht.« Ich zwinkerte dem kleinen Asiaten zu, und er schenkte mir ein Lächeln. Es wirkte ungefähr so echt, wie meines war. Trotzdem hielt ich den Small Talk aufrecht. »Ich bin sogar im Schwimmteam.« Den Stolz in meinen Worten musste ich nicht spielen.
    »Super!«
    »Habt ihr heute nicht ein Sondertraining?«, mischte sich Simons mit gerunzelter Stirn ein.
    »Ja, aber ich muss leider noch einiges für den Unterricht machen.« Ich zuckte nonchalant mit den Schultern. »Ich will ja keine schlechten Noten haben, nur weil ich im Stoff hinterherhinke.« Das war die Lüge des Jahrhunderts. Mindestens.
    »Dann wollen wir dich nicht weiter davon abhalten …« Obwohl Simons lächelte, war ich offiziell entlassen.
    »Bestell deiner Stieffamilie schöne Grüße.« Forman reichte mir noch einmal die Hand. Wie er das Stief betont hatte, gefiel mir gar. Aber es brachte mich auf eine Idee.
    Fünf Minuten später saß ich wieder an »meinem« Computer, änderte die Internet-Suche und lenkte sie auf meine Familie. Schließlich hatte die Uhr meinem Großvater gehört. Ich wusste zwar immer noch nicht, wie er sie damals in mein Zimmer geschmuggelt hatte, aber anscheinend hatte er gewollt, dass ich sie bekam.
    Zu meiner Überraschung spuckte der Monitor sofort eine Telefonnummer aus. Keine verborgene Nummer, keine Geheimnisse, einfach nur die Fakten. Ich schrieb sie auf einen der bereitliegenden Zettel und drehte ihn anschließend unschlüssig in der Hand. Ich hatte mich getäuscht, als ich dachte, ich fühle mich wegen Forman unwohl. JETZT fühlte ich mich so.
    Was sollte ich auch machen? Anrufen und sagen: »Hallo, Opa. Sorry, dass ich mich sechs Jahre lang nicht gemeldet habe. Sag mal, warum warst du nicht einmal auf der Beerdigung meiner Eltern? Warum hast du dich nie bei mir gemeldet, aber dafür gesorgt, dass ich die blöde Uhr bekomme? Wieso hast du mir nicht geholfen und mich zu dir geholt?«
    Ich fühlte, wie sich in meinem Hals ein neuer Kloß bildete und sich ungeweinte Tränen in meinem Inneren sammelten. SO fühlte man sich also, wenn man nicht gewollt war. Nicht einmal vom eigenen Großvater. Bisher hatte ich es erfolgreich geschafft, nicht darüber nachzudenken. Jetzt tat ich es – danke sehr! Schließlich hatte ER in all den Jahren gewusst, wo ich wohnte und aufwuchs. Augenblicklich fühlte ich mich noch mieser als vorher. Da fehlte nur noch die passende Musikuntermalung und ich würde ein Fall für die anonymen Depressioniker. Welche Pillen waren es doch gleich bitteschön?
    Energisch riss ich mich von den Buchstaben und Zahlen auf dem Bildschirm los und löschte den Suchverlauf. Wer brauchte schon einen Großvater oder eine Familie, der man egal war? Ich knüllte den Zettel zusammen, warf ihn zusammen mit dem ganzen anderen Kram in meine Tasche und sah auf. Merkwürdig, wie die kleinste Veränderung in den eigenen Gedanken eine ganze Bibliothek beeinflussen konnte. Jetzt sahen die Schatten noch dunkler aus, als

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