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Traumtagebuecher

Traumtagebuecher

Titel: Traumtagebuecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Sarafin
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und auch nicht, als ich beinahe ertrunken war – erst recht nicht bei meiner Verbannung auf das »Internat-des-Grauens«. Aber wie sehr mussten meine Eltern mich geliebt haben, wenn sie sogar vor solch einem dämlichen Foto nicht zurückschreckten?
    »Ich würde vor Scham tot umfallen – oder notfalls dem Schicksal dabei nachhelfen«, flüsterte die Dunkelhaarige hilfsbereit. Gerade laut genug, so dass auch die von der Tafel zurückkehrende Rebecka etwas von der Bemerkung hatte. Schwungvoll warf sie ihre inzwischen getrockneten, schönen blonden Haare über ihre Schulter und machte aus ihrem Hinsetzen eine Model-Show. Der Blick, der mir galt, war dazu geeignet, Frostbeulen hervorzurufen.
    Trotzdem musste ich lachen. »Dann ist es ja gut, dass es mein Bild ist … denn ich liebe es – und ich wurde geliebt!«
    Meine Mundwinkel verselbständigten sich, und mein Grinsen wuchs in die Breite als ich meinem guten Karma mutwillig den Todesstoß versetzte. »Weißt du eigentlich, dass 60 % der Highschool-Schönheiten 5 Jahre nach ihrem Abschluss bereits übergewichtig sind, sich 30% nach zehn Jahren Ehe scheiden lassen und beim ersten Klassentreffen immer noch versuchen die gutaussehenden, erfolgreichen Normalo-Mitschüler niederzumachen? Erbärmlich, oder?«
    Das Klingeln unterbrach Jessicas Antwort.

Kapitel 2
    Ich pinnte das Babyfoto auf die Innenseite meiner Spindtür und verstaute erst dann meine Bücher im halbdunklen Innenraum. Obwohl immer noch ein leichter Geruch nach Ketchup in der Luft hing, spürte ich das Strahlen auf meinem Gesicht. Ich liebte dieses Bild!
    Auch wenn ich die hämischen Blicke in meinem Rücken spürte konnte, gelang es mir doch, das Getuschel auszublenden. Das Gewirr der verschiedenen Stimmen, ob auf mich bezogen oder allgemein, war zu einem sanften Hintergrundgeräusch geworden. Es störte mich nicht weiter, als ich die aktuellen Unterrichtsunterlagen und Bücher hervorkramte und dabei immer wieder zu der Abbildung blickte. Immerhin war es das einzige Bild, das mich als Kind zeigte. Alles andere hatte das Feuer damals verzehrt. Zusammen mit einem großen Teil meiner Erinnerung an meine Kindheit.
    Ich seufzte, weil mir auffiel, dass ich gerade Unterlagen für die falsche Stunde zusammenkramte. Abermals wechselte ich die Bücher und kontrollierte noch einmal alles. Erdkunde, Atlas, gebundenes Buch in hässlichem grünen Plastiküberzug, Schreibheft, Montag, 4. Stunde, alles richtig. Naja, bis auf den Geruch nach Plastik, der von dem Umschlag kam.
    »Sind das deine Schmierereien?«
    Die Stimme war so laut, dass sie sich über das Hintergrundgemurmel erhob. Und so nah an meinem Rücken, dass kein Zweifel möglich war. Jemand sprach mit meiner Wirbelsäule. Trotzdem benötigte ich einige Sekunden, um die Worte wirklich in einen Zusammenhang zu bringen und zu analysieren, dass der Sprecher niemand war, den ich kannte.
    Langsam drehte ich mich um und sah direkt in die empörte Miene eines jungen Mitschülers. Selbst sein blaues Outfit schaffte es, vor selbstgerechtem Grimm förmlich zu strahlen. Schlagartig kamen die Geräusche, die Farben und die Hektik in meine kleine private Welt zurück. Ich blinzelte und versuchte die Kleidung und den Jungen einzuordnen. Doch es war die Offensichtlichkeit, mit der sich Rebecka und ihre Freundin plötzlich mit etwas anderem beschäftigten und die bummelnden Schüler in meiner näheren Umgebung auf einmal einen Zahn zulegten, die mir den ersten Hinweis gab. Ich ignorierte ihn.
    »Wieso sollte ich 666 auf meinen Spind schreiben?«
    Die Miene des Jüngeren verzog sich kaum merklich und gab einen Hauch der Verachtung preis, die er vermutlich für alle anderen Schüler verspürte. Trotzdem blieb sie auf gewisse Weise genauso farblos, wie der Rest von ihm, der nicht blau leuchtete.
    Als die Geräusche der anderen Schüler dieses Mal in den Hintergrund blendeten, lag es nicht an mir, sondern daran, dass die anderen leiser wurden. Selbst die beiden Jungen, die mit einem dritten schräg vor mir auf der anderen Seite des Ganges standen und ihn eben noch gegängelt hatten, wurden ruhiger. Die Hektik, die sie beim Verhandeln über die Preise von Fußballsammelkarten an den Tag gelegt hatten, erstarb schlagartig und machte einer gespannten Aufmerksamkeit Platz. Wie Fluchttiere, die ein drohendes Unwetter aufkommen spürten. Selbst der Blick meines Gegenübers verließ zum ersten Mal mein Gesicht und wanderte zu einem Punkt über meiner Schulter. Sekunden später konnte ich

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