Traumtrunken
bezahlt hatte und fand das einfach nur lächerlich. Aber noch lächerlicher fand er, dass er so viel Geld dafür bezahlt hatte, dass seine Frau jetzt hier am Spielplatz saß. Atze fasste sich an den Kopf. Am liebsten wäre er davongegangen, aber das löste das Problem nicht wirklich.
Sie musste ihm jetzt versprechen, dass sie morgen wenigstens den Ausflug in den Papageienpark machten!
***
Bei Rico bleiben. Bei Rico bleiben. Sie tut ja gerade so, als wenn es ihr Kind wäre!
„Na, gut. Dann fahre ich eben allein!“ Er hatte das so endgültig gesagt, dass er hätte schwören können, es wäre für Michaela Anlass gewesen, doch mitzukommen. Stattdessen lächelte sie ihn treuherzig an und sah dabei irgendwie erleichtert aus.
Atze suchte seine Papiere zusammen und ging. Die Tür fiel laut hinter ihm ins Schloss, doch gleich darauf besserte sich seine Laune. Ein Gedanke kam ihm. Er würde sich morgen ein Motorrad ausleihen und ein bisschen über die Insel fahren.
Das konnte er mit Michaela sowieso nicht machen. Dazu war sie viel zu ängstlich.
Er wartete nicht auf den Fahrstuhl, sondern sprang die Treppe hinunter zur Rezeption. Ganz sicher konnten die ihm weiterhelfen.
***
Was er nur hatte. Sie war doch mit ihm in seinem Vogelpark gewesen. Und sie hatte von Anfang an deutlich gemacht, dass sie Angst hatte, zu dem Vulkan zu fahren. Nichts hatte sie ihm versprochen. Nichts. Dass er sie trotzdem für den Ausflug angemeldet hatte, dafür konnte sie doch nichts.
Er hieß Rico und war vier Jahre alt. Und im Sommer eine ganze Hand voll. So hatte er es ihr gezeigt. Drückte seine rechte Hand in die Luft und lachte das Wort „Sommer“ aus sich heraus.
Rico sprach ein wenig deutsch. Und holländisch. Wie die junge Frau, die im Kinderclub arbeitete.
Dort war Rico, wenn er nicht auf dem Spielplatz war. Morgens von zehn bis elf und nachmittags von drei bis vier.
Michaela hatte oft genug zugesehen in den letzten Tagen. Hatte sie beobachtet, wenn sie gemeinsam zum Volleyballplatz gelaufen sind, um eine Sandburg zu bauen oder einfach nur gebastelt haben. Ketten aus Nudeln. Wurfspiele. Bilderrahmen mit Muscheln geschmückt.
Netter Junge, dieser Rico.
***
Atze fragte Michaela jetzt morgens gar nicht mehr, ob sie mitkommen wollte. Und ihr war es recht so.
Ihr gefiel es zwar nicht, dass er mit dem Motorrad unterwegs war, aber wenigstens brauchte sie kein schlechtes Gewissen mehr zu haben. Und sie stritten auch nicht mehr.
Beim Abendessen erzählte er ihr von seinen Ausflügen und Michaela kam es vor, als wäre sie dabei gewesen. Das reichte ihr. Sie fand es schön so.
Wenn Rico an ihrem Tisch vorbeikam und sie grüßte, machte sie Atze auf ihn aufmerksam.
„Ist der den ganzen Tag allein unterwegs?“, meckerte Atze.
„Gib's zu, bei dir war es doch auch nicht anders.“
„Ich war fast neun, als meine Mutter wieder arbeiten gegangen ist! Nicht vier!“
„Was sollen Carlos und Simona denn machen? Sicher tut es ihnen auch leid.
Andererseits, er kann jederzeit zu ihnen, wenn etwas ist. Und er entwickelt sich doch gut. Ist höflich, spricht mehrere Sprachen ...“
„Die paar Brocken deutsch?“, unterbrach Atze sie. „Der weiß ja am Ende gar nicht mehr, was er redet!“
Das fand Michaela gemein. Der Kleine konnte doch nichts dafür.
„Na jedenfalls besser als wir. Wir sprechen ja noch nicht mal drei Worte spanisch, obwohl wir hier Urlaub machen“, sagte sie eingeschnappt.
„¡Salud! ¡Buen provecho!“, konterte Atze. Dazu erhob er sein Glas.
Michaela musste lachen.
„Hab ich auf meinen Exkursionen gelernt!“ Atze zog den Mund schief.
***
Michaela wusste, dass sie zurückkommen würde. Ganz bestimmt.
Doris war neidisch gewesen, als Michaela am Montag so gut erholt in der Gärtnerei erschien. Herzlich hatte sie sie willkommen geheißen: „Schön, dass es dir gefallen hat. Du musst mir nachher unbedingt mehr erzählen!“
Und in der Mittagspause hatte Michaela dann sogar Rico erwähnt.
Rico, an den sie noch immer jeden Tag denken musste. Der ihr Kraft gab. Den sie wieder besuchen würde. Ganz bestimmt. Sie musste nur noch Atze überreden.
Und sie würde bis zum Sommer kaum einen Cent ausgeben. Nur das Nötigste.
Ganz bestimmt.
***
Am Gründonnerstag stand er vor ihr.
Sicher, sie hatte in den vergangenen Wochen oft an ihn gedacht. Und war es anfangs ein Verweilen in Erinnerungen gewesen, was Michaela sogar davon abgebracht hatte, nachmittags auf den Spielplatz zu gehen, so
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