Traumtrunken
Doris etwas dagegen hatte? Michaela winkte ab. Sie musste es ja nicht wissen.
Sie holte die Apfelstücken aus ihrer Tasche und stellte Ricos Trinkflasche daneben. Dann ging sie ihn holen.
Rico schien Hunger zu haben. Er kam sofort.
Michaela öffnete die gelbe Dose, nahm sich selbst ein Stück Apfel, klemmte es zwischen ihre Lippen und hielt Rico die Dose hin.
Er griff hinein. „Danke“, sagte er, setzte sich neben sie, baumelte mit den Beinen und verkreuzte sie von Zeit zu Zeit.
Michaela streichelte ihm über den Kopf.
„Was hältst du davon, wenn du nächste Woche mal mit mir zur Arbeit kommst?“, fragte sie ihn.
„Nicht in den Kindergarten?“, fragte Rico.
„Nein, mal einen Tag nicht in den Kindergarten!“, lächelte Michaela ihn an.
Rico schien begeistert.
Ihr Blick streifte die Bank neben ihr, wo zwei Mütter saßen. Sie tuschelten, lachten und beobachteten Michaela, wenn sie nicht hinsah. Als ob Michaela das nicht mitbekommen würde!
Eine Weile versuchte sie es zu ignorieren. Aber als Rico wieder zum Spielen ging, bemerkte sie, wie sich ihr Hals zuschnürte. Tränen traten ihr in die Augen.
Michaela wollte jetzt nicht weinen, sie setzte sich aufrecht hin. Naja, bald war Rico ohnehin zu alt für Spielplätze.
7 Kerzen
und kein Kuchen auf dem Tisch.
Sie liebt mich, ich spüre es.
Sie kann es nur noch nicht zeigen.
Alles wird gut.
Wenn ich nur hier sein darf.
Michaela würde immer für Rico da sein.
***
Am nächsten Dienstag nahm sie ihn einfach mit. Sie zeigte Rico die Gewächshäuser und das Freigelände hinter dem Haus. Doris merkte nichts davon.
Wenn sie zu Doris Eltern musste, ließ sie Rico einfach im Aufenthaltsraum. Er hatte seine Playmobil-Ritter dabei, die sie ihm zum Geburtstag geschenkt hatte.
„Hier ist meine Tasche, wenn du Hunger bekommst“, hatte sie ihm gesagt. „Ich versuche, heute ganz früh Schluss zu machen!“
Rico war wirklich ein lieber Junge. Michaela konnte sich auf ihn verlassen.
***
Atzes Handy klingelte, als er vom Duschen kam. Schnell zog er es aus seiner Hose.
„Hier ist die Doris aus der Gärtnerei.“
„Ist was passiert?“ Atzes Puls beschleunigte sich.
„Ich glaube, sie hat ihn heute dabei gehabt.“
„Ich verstehe noch nicht.“
„Michaela. Sie hat den Jungen mit in die Gärtnerei gebracht!“
„Moment mal!“ Atze setzte sich auf den Beifahrersitz und zog die Tür zu. „So, jetzt bin ich wieder da. Reden Sie etwa von einem echten Kind?“
„Nein, kein echtes. Sie hat ihm heimlich die Gärtnerei gezeigt und ich habe so getan, als ob ich es nicht merke.
Ich habe sie sprechen gehört, Atze! Für Michaela ist der Junge real!“
Atze atmete tief durch. Er wusste nicht, was er sagen sollte und selbst hätte er es gewusst, hätte er vermutlich kein Wort herausgebracht. Außer: „Danke, Doris.“ Er schluckte. „Danke für Ihren Anruf.“
Am anderen Ende der Leitung klickte es.
Atze atmete tief und starrte auf den Parkplatz.
***
„Warum machen wir nicht einfach einen Termin? Ich halte es für keine gute Idee, so was telefonisch zu besprechen!“
Das stellte sie sich so einfach vor! Atze verzog den Mund.
„Ich bin nur am Wochenende in München“, sagte er dann zu Frau Gehlbach. „Und ich möchte eigentlich nicht, dass Michaela von unserem Gespräch erfährt.“
„Stimmt, der Fernfahrer.“
Atze verdrehte die Augen. „Ja“, erwiderte er kurz angebunden.
„Wie sieht's mit Montagmorgen aus? Von mir aus komm ich etwas früher.“
„Montagmorgen klingt gut. Das kann ich einrichten.“ Atze war erleichtert. „Sagen wir um ...“ Er überlegte. Zu früh durfte er nicht aus dem Haus gehen, sonst würde sich Michaela wundern. Aber hoffentlich dauerte es nicht so lang. „Halb neun bei Ihnen?“, fragte er.
„Einverstanden.“
„Jetzt müssen Sie mir nur noch die genaue Adresse geben.“
Als Atze aufgelegt hatte, fühlte er sich mies.
Gerade im Augenblick der Zusage hatte er bemerkt, wie sehr er an Michaela hing. Er wollte sie nicht verletzen. Er wollte ihr nur helfen. Ihrer Beziehung zuliebe.
***
Am Samstagabend hörte Atze Michaelas Stimme aus dem Badezimmer. Sie sang vor sich hin, wie sie es manchmal tat. Doch dann horchte Atze darauf, was sie sang. Er kam sich schäbig vor, dass er sie belauschte, aber seine Neugierde ließ gar nichts anderes zu. Er hielt sein Ohr an die Tür.
Es war ein Kinderlied.
Er kannte es. Summte die Melodie in Gedanken mit.
Atze drückte sein Ohr näher an
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