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Traumzeit

Traumzeit

Titel: Traumzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Gedanken, wo sie wohl blieb. Man würde nach ihr suchen. Oder glaubten Sarah und Adam, sie sei mit Hugh draußen bei den Schafen? Was würde geschehen, wenn noch Stunden vergingen, ehe man sie vermißte?
    Plötzlich tauchte etwas Schwarzes und Formloses vor Joanna auf – es war einer der niedrigen Felsen, der zu der heiligen Stätte der Aborigines gehörte. Viele Jahrhunderte hindurch hatten die Ureinwohner hier ihr Lager aufgeschlagen und ihre Rituale und Tänze durchgeführt.
    Joanna dachte an das Känguruh mit dem
Joey.
Sarah hatte ihr gesagt, sie gehöre zum Känguruh-Totem, und sie tröstete sich bei der Vorstellung, die Känguruh-Ahne sei vielleicht hier in den alten Steinen. Joanna sank auf den Boden und lehnte sich gegen den Stein. Sie legte die Hände auf ihren Leib und spürte die Bewegungen des Kindes.
    Wieder setzten die Wehen ein. Plötzlich hörte sie Rascheln, dann heftiges Atmen.
    Es war Sarah. »Ich bin im Haus gewesen«, stieß sie atemlos hervor. »Adam sagte, du seist nicht zurückgekommen. Ich habe dich gesucht.«
    »Das Baby kommt, Sarah.«
    »Ich hole Hilfe.«
    »Nein«, erwiderte Joanna und umklammerte ihre Hand, »es ist keine Zeit mehr, Sarah … du mußt mir helfen. Mein Umschlagtuch … leg es unter mich.«
    Sarah drehte den Kopf. Sie konnte die Farm nicht sehen. Sie war zu weit weg. Wenn sie um Hilfe rief, würde niemand sie hören.
    »Beeil dich!« sagte Joanna.
    Sarah bewegte sich schnell.
    Joanna schrie laut auf. Sarah hob ihren Rock hoch, und was sie sah, ließ sie erstarren.
    Zwei winzige Füße waren sichtbar. Aber sie bewegten sich nicht.
    Joanna schrie noch einmal. Sarah bekam große Augen. Die Füße des Kindes kamen etwas weiter heraus und verschwanden dann wieder.
    »Halt es fest«, stöhnte Joanna, »das nächste Mal … Versuch, das Kind festzuhalten.«
    Sarah versuchte, sich an Geburten im Missionsdorf zu erinnern und an das, was die Frauen erzählt hatten. Sie beugte sich vor und ergriff vorsichtig die winzigen Füße, als sie wieder sichtbar wurden.
    Joanna schrie laut auf, Sarah zog sanft, aber das Baby bewegte sich nicht. Sarah glaubte, es sei zu viel Blut dabei.
    Ihre Gedanken überschlugen sich. Sie konnte zum Rindenhaus laufen und Hilfe holen. Aber wer würde helfen? Hugh war draußen bei den Schafen, und es wäre aussichtslos, jemanden zu Poll Gramercy zu schicken, die in Cameron Town wohnte.
    Joanna schrie wieder, und als Sarah sah, daß sich das Baby nicht bewegte, dachte sie an das Missionsdorf und daran, wie Frauen dort entbanden – in der Art der Aborigines.
    Sie sprang auf und tastete schnell die Umgebung ab. Als sie einen dicken Zweig fand, begann sie damit zu graben.
    »Sarah …«, keuchte Joanna, »was …?«
    Das Mädchen bearbeitete fieberhaft die feuchte Erde, und Laub und Erdklumpen flogen beiseite. Sie grub, bis ihr der Schweiß über den Körper strömte. Sie hob eine so tiefe Grube aus, daß ihre Arme bis zu den Ellbogen darin verschwanden. Dann nahm sie ihr Tuch ab und legte es in die breite Mulde.
    Sie ging zu Joanna und half ihr aufzustehen. »Dorthin«, keuchte sie, »schnell!«
    Sie wankten zusammen zu der Grube. Sarah stützte Joanna, als sie sich darüber kniete. »Jetzt«, sagte Sarah.
    Joannas Schenkel verkrampften sich, als die nächste heftige Wehe sie schüttelte. Sarah wartete gespannt.
    »Noch einmal«, sagte sie.
    Joanna grub die Finger in die Schulter des Mädchens und preßte bei der nächsten Wehe mit aller Macht.
    Wieder zeigten sich die winzigen Füße.
    Sarah ließ Joanna los und griff schnell nach den winzigen kalten Beinchen. »Noch einmal«, rief sie, »es kommt!«
    Joanna mußte noch mehrmals pressen, dann war das Kind schließlich heraus. Sarah hielt es fest und sah, daß es ein rotes, faltiges, kleines Mädchen war. Es zitterte, aber es schrie nicht.
    Joanna sank auf die Erde. Sarah riß schnell ein paar Büschel Känguruhgras ab und rieb damit den Körper des Babys trocken. Sie entfernte den Schleim aus Nase und Mund, und dann begann das Kind zu schreien. Sie legte es Joanna an die Brust.
    Joanna blickte auf das Kind in ihren Armen. Ein Mädchen! Sie dachte daran, wie Naomi Makepeace wohl ihr Kind, ihre Emily, irgendwo in der australischen Wüste geboren hatte. Sie dachte daran, wie Lady Emily in einer fernen Provinz in Indien Joanna auf die Welt gebracht hatte, und begriff plötzlich, daß sie etwas verband – der Traumpfad. Es war ein leuchtender silberner Faden, der von Großmutter zu Mutter und zur

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