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Traumzeit

Traumzeit

Titel: Traumzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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benutzte nicht mehr das kleine Köfferchen ihrer Mutter. Zu ihren Hausbesuchen nahm sie inzwischen viele Dinge mit, und deshalb hatte ihr eine der Aborigine-Frauen im Missionsdorf eine große Tasche aus Rindenbast geflochten.
    »Leider kann ich Sie nicht bezahlen«, sagte Fanny.
    Joanna sah sich in dem Zimmer um. Auf dem Boden lag eine Matratze für die Kinder. Der Tisch war offenbar schon wochenlang nicht mehr mit Seife und Wasser geschrubbt worden. Darauf lag ein halbes Brot, und daneben stand eine offene, beinahe leere Teedose. »Schon gut, ich weiß, Sie werden mich bezahlen, wenn Sie es können.« Sie wußte, daß Fanny nie das Geld dazu haben würde.
    Joanna und Sarah zogen die Köpfe ein, um unter der niedrigen Tür hindurchzugehen, und traten in das helle Licht des frühen Morgens. Die Kinder wichen zurück und starrten sie an. Joanna blickte über den staubigen Hof: Ein Wagen ohne Räder lag auf der Seite; der angebundenen Kuh traten die Rippen so weit hervor, daß es Joanna wie ein Wunder vorkam, daß sie überhaupt noch lebte. Sie betrachtete die Kinder. Sie wußte, die Missionare und die Beauftragten der Regierung wollten solche Kinder durch die Einführung der Schulpflicht aus dem Elend befreien. Aber die Kinder erschienen so gut wie niemals in den Schulen, denn sie hatten keine Schuhe und keine Lust zum Lernen, oder ihre Väter erklärten, sie müßten bei der Farmarbeit helfen. Sie blieben Analphabeten, wuchsen ungebildet und ahnungslos wie ihre Eltern auf, und der Kreislauf begann von neuem.
    Joanna griff in die Rocktasche, holte ein paar Bonbons heraus und gab sie den Kindern, die sie gierig nahmen.
    Als sie hinter Sarah in den Einspänner stieg, erschien Fanny Drummond in der Tür und sah flehend in ihre Richtung. »Was ist los?« fragte Joanna und ging zu ihr zurück.
    »Ich wollte fragen, Missus«, die junge Frau wich verlegen Joannas Blick aus, senkte die Stimme und flüsterte: »Ich wollte fragen, ob Sie mir vielleicht helfen können. Es geht um Kinder. Ich habe jetzt acht, und ich habe schon Poll Gramercy gefragt, aber Poll ist katholisch, sie wollte mir …«
    »Ich verstehe«, erwiderte Joanna ruhig. Diese Frage kannte sie nur allzu gut. »Haben Sie einen Schwamm, Fanny? Ich meine zum Waschen?«
    »Ja, ich glaube.«
    »Schneiden Sie ein Stück ab, das ungefähr so groß ist wie ein Ei. Binden Sie einen etwa so … langen Faden darum. Vergewissern Sie sich, daß er gut festgebunden ist. Legen Sie den Schwamm in Essig. Wenn Sie glauben, daß Ihr Mann mit Ihnen schlafen will, führen Sie zuerst den Schwamm ein. Achten Sie auf den Faden, damit Sie den Schwamm später wieder herausziehen können. Tun Sie das danach so schnell wie möglich.«
    Fanny sah sie mit angstgeweiteten Augen an. »Er wird wissen, daß da etwas ist! Er wird mich bestimmt umbringen, wenn ich …«
    »Er wird nichts merken, Fanny«, beruhigte sie Joanna. »Er darf natürlich nicht sehen, wie Sie den Schwamm einführen oder herausholen. Es wirkt nicht hundertprozentig, aber es wird helfen.«
    Als Joanna und Sarah aus dem Hof rollten, sagte Sarah: »Das nächste Mal wird es noch schlimmer sein. Dann hat er ihr einen Arm oder ein Bein gebrochen. Und keiner kann etwas dagegen tun.«
    »Ich werde Wachtmeister McManus informieren. Er wird herkommen und sich die Sache ansehen. Er kann Mike Drummond in aller Strenge ermahnen. Manchmal hilft das.«
    Sie fuhren durch die Morgensonne. Die beiden jungen Frauen trugen praktische Baumwollblusen, lange braune Röcke und auf den hochgesteckten Haaren breitkrempige Hüte. Ein Fremder hätte sie auf den ersten Blick für Schwestern halten können. Sie saßen beide auf dem Kutschbock im Einspänner, verjagten die Fliegen und redeten leise miteinander. Aber die Ähnlichkeit endete bei Sarahs dunkler Haut und dem exotischen Gesicht. Als Joanna angefangen hatte, Sarah zu Hausbesuchen mitzunehmen, um Frauen bei Entbindungen zu helfen oder eine Wunde zu behandeln, fanden die Leute das eigenartig. Aber mit der Zeit, als man Sarahs zunehmende Geschicklichkeit bemerkte, hatte man sie akzeptiert – auch in den großen Häusern wie Barrow Downs oder Williams Grange, wo man Aborigines nur als Hilfskräfte in der Küche duldete. Auch die Farmarbeiter überwanden ihre Vorurteile dagegen, sich von einer Frau oder einer Eingeborenen behandeln zu lassen. Die ein- undzwanzigjährige Sarah King galt mittlerweile als eine Westbrook, und nur Fremde hoben hin und wieder die Augenbrauen.
    Nach ein paar Meilen

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