Traumzeit
um es zu verhindern? Ich werde nicht zulassen, daß meine Tochter ein Opfer dieses Wahnsinns wird.«
»Worum geht es in den Alpträumen, Joanna? Was erzählen sie dir?«
»Sie sagen mir, daß ich Angst haben muß. Ich werde den Gedanken nicht los, daß der Feueropal eine wichtige Rolle dabei spielt. Möglicherweise ist er sogar der Schlüssel zu dem Geheimnis. Aber ich weiß nicht, wie.«
»Was willst du tun?«
Melbourne bereitete sich auf ein großes Ereignis vor, auf eine Weltausstellung. Joanna wollte mit Lisa und Adam diese Ausstellung besuchen. Alle australischen Kolonien würden vertreten sein und auch die meisten Nationen der Welt – und zwar an einem Ort, unter einem Dach und zur selben Zeit. Dort trafen sich Regierungsbeamte der Kolonien, Journalisten und Reporter, Forscher, Wissenschaftler, Missionare und Spezialisten auf allen möglichen Gebieten. »Ich werde den Opal mit nach Melbourne nehmen«, sagte Joanna. »Unter den vielen Leuten gibt es bestimmt jemanden, der mir sagen kann, woher er stammt.«
2
Joanna fuhr mit dem Einspänner an der Farm vorbei und auf dem neu angelegten Weg hinunter zum Fluß. Dort waren die Arbeiten an dem neuen Haus, die sie vor sieben Jahren begonnen, aus vielerlei Gründen aber nicht weitergeführt hatten, wieder in vollem Gang. Jedesmal, wenn Joanna hier entlangfuhr, staunte sie, wie sehr sich das Land veränderte. Sie erinnerte sich noch gut daran, wie es vor fast neun Jahren bei ihrer Ankunft auf Merinda ausgesehen hatte. Damals gab es in dieser Gegend weniger Farmen und mehr Bäume. Die Straßen waren kaum mehr als ausgetretene Wege. Inzwischen gab es eine Bahnverbindung von Melbourne bis Cameron Town, und das hatte viele Menschen in den westlichen Distrikt gebracht. Die Hauptstraße war inzwischen gepflastert, und entlang der Straße verliefen Telegraphenleitungen. Überall in der Landschaft standen Farmhäuser. Es gab mehr Brunnen, mehr Windmühlen und mehr Zäune. Auch Merinda wuchs. Trotz der drohenden Dürre entwickelte sich die Farm gut. Es war Hughs Umsicht und Geschicklichkeit zu verdanken, aber auch einigen erfolgreichen Investitionen und dem steigenden Preis für Lanolin.
Die ersten Nachkommen von Zeus waren ein Erfolg geworden. Als die neugeborenen Lämmer herangewachsen waren, hatte Hugh sie mit den großen angelsächsischen Schafen gekreuzt. Ihre Nachkommen wurden Tiere mit einem kräftigen Knochenbau und fester Wolle. Alle waren der Ansicht, daß diese Schafe auch in Trockengebieten überleben würden. Ihre Wolle war nicht ganz so weich wie die der Schafe im westlichen Distrikt, auf die man besonders stolz war. Aber sie lieferten eine kräftige, praktische Wolle, die zu Decken und Teppichen verarbeitet werden konnte. Inzwischen sank die Nachfrage nach der teuren, besonders weichen Wolle auf der ganzen Welt, und der Preis für kräftige Wolle stieg. Frank Downs unternahm auf seinen fünfzigtausend Morgen Land in Neusüdwales als erster einen Versuch mit den Merinda-Schafen. Alle waren sehr gespannt gewesen, wie die Schafe sich halten würden. Als man sah, daß sie sich auf dem trockenen und kargen Land behaupteten, waren auch andere Züchter zu dem Risiko bereit und kauften bei Westbrook. Im Frühjahr 1880 , also sechseinhalb Jahre nach der Geburt der ersten Lämmer, erprobten mehrere Farmer in Victoria und Neusüdwales die neuen Merinda-Schafe.
Merindas Wohlstand konnte man der Farm ansehen, an der Joanna gerade vorbeifuhr. Neue Gebäude waren entstanden, neue Zäune und Ställe. Auf dem Hof herrschte ein geschäftigeres und lauteres Treiben als je zuvor. Neugeborene Lämmer blökten, Widder liefen mit den Schafen im Zuchtpferch, und die Farmarbeiter gingen ihren tausend Pflichten nach. Das alte Rindenhaus stand noch, aber es war inzwischen sehr viel größer. Im Laufe der Jahre hatte Hugh Zimmer angebaut, die Wände frisch gestrichen und eine neue Veranda zog sich um das ganze Haus. Davor standen große Sonnenblumen und üppig blühende Oleanderbüsche. Der mit Steinplatten belegte Weg war rechts und links von hübschen grünen Rasenstreifen gefaßt. Jetzt wurde das neue Haus endlich gebaut, und Joanna erkannte plötzlich, daß ihr etwas fehlen würde, wenn sie nicht mehr im Rindenhaus wohnten.
Als sie die Lichtung erreichte, zügelte sie das Pferd und hielt im Schatten einiger Bäume –
ihrer
Bäume. Aus den Schößlingen, die sie vor neun Jahren gepflanzt hatte, waren inzwischen große und ausladende Bäume geworden. Joanna beobachtete ihre
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