Traumzeit
hier.«
»Ich werde dir alles erklären, ich werde dir alles erzählen. Weißt du, ich mußte einfach zu dir zurück. Ich bin durch die ganze Welt gereist, Sarah. Aber du hast mich überallhin begleitet. Ich habe versucht, mit Alice an einem Ort zu leben, so wie sie das wollte. Aber ich konnte es nicht, denn es war nicht mein Zuhause. Ich fühlte, wie mein Geist langsam starb. Und ich konnte nur an dich denken und an Australien. Hier bei dir hatte ich Frieden gefunden und hier bin ich zu Hause. Ich habe Alice gebeten, mir meine Freiheit wiederzugeben. Sie erklärte, ich könne gehen. Wir sind sehr ungleiche Menschen. Sie hat ihre Familie und Daniel, und England ist ihre Heimat. Sie braucht mich nicht. Aber sie sagte, sie könnte einer Scheidung nicht zustimmen – noch nicht. Meine geliebte Sarah«, sagte er, »ich möchte nur bei dir sein.«
»Ja, Philip«, sie verstand plötzlich die Unruhe, die sie an diesem Abend erfaßt hatte. Jetzt war sie wieder ruhig. Sie blickte auf seinen Mund – wie oft hatte sie an diesen Mund gedacht, von ihm geträumt. Sie berührte seine Lippen. Sie küßte ihn noch einmal ganz zart und dann voll Leidenschaft.
»Welche Zukunft uns auch beschieden sein mag, Philip«, sagte sie dann sehr ruhig, »wir werden zusammenbleiben. Wir werden es irgendwie schon schaffen.«
Er zog sie hinunter auf das Gras in den Schutz von Eukalyptusbäumen, Sträuchern und Büschen. Sie überließ sich seiner Leidenschaft. Durch die Äste schimmerte das Kreuz des Südens, als Philip flüsterte: »Ich hätte dich nie verlassen sollen.« Dann sprachen sie nicht mehr.
Kapitel Achtundzwanzig
1
Kapitän Fielding besprach sich mit ihrem schwarzen Führer. Aber Joanna wußte bereits, daß etwas nicht in Ordnung war.
Die kleine Expedition befand sich in einer Halbwüste, die man
Mallee
nannte. Es war ein großes, mit Gestrüpp bewachsenes Gebiet am Rande der Großen Victoria-Wüste. Vor vier Wochen hatten sie Kalagandra verlassen und zogen seitdem mit Kamelen durch die Wildnis. Sie ritten geradewegs nach Osten und hofften jeden Tag, für ihre Mühe belohnt zu werden. Aber bisher waren sie noch nicht auf Aborigines gestoßen, nichts wies auf das Lager einer umherziehenden Sippe hin, nichts auf Karra Karra. Joanna saß auf ihrem Kamel und ließ den Blick über das ausgedörrte Land schweifen, das bis in die Unendlichkeit zu reichen schien. Nur graugrüne
Mulga,
verkrüppelte Eukalyptusbäume und Casuarinen mit ihren nadelartigen Blättern unterbrachen die Eintönigkeit.
Joanna bekam allmählich eine bessere Vorstellung von dem harten, abweisenden Gesicht Australiens. Auf den Landkarten sah man das Küstengebiet, das sich wie ein grünes Band um den ganzen Kontinent zog. Dort breiteten sich Städte und Siedlungen aus, dort gab es grüne Wälder, fruchtbare Felder und Weiden. Aber dann begann die endlose, karge, dürre und sandige Weite Australiens. Kein Wunder, daß man schon vor langer Zeit Kamele importiert hatte. Als Joannas Expedition Kalagandra verließ, begann sofort die Wüste. Sie zogen von einer Einöde zur nächsten und sahen in den Sandebenen nur kümmerliche Bäume und winzige Salzseen, an denen es von Eidechsen, Fliegen und Schlangen wimmelte. Nur sehr selten zeigte sich ein Wallaby oder ein Emu. Von Menschen, einer menschlichen Siedlung oder einem Zeichen der Zivilisation war weit und breit nichts zu sehen.
Es war ein heißer Junitag. Am fernen Horizont ballten sich drohend schwarze Wolken. Die Sonne war schon seit neun Tagen nicht mehr am Himmel zu sehen.
Joanna dachte daran, wie viele tausend Jahre es gedauert haben mochte, die sandigen hohen Dünenkämme entstehen zu lassen, die von Gestrüpp, Büschen und Stachelkopfgras zusammengehalten wurden. Die
Mallee
war ein ungastliches, lebensfeindliches Gebiet. Es erschien ihr unmöglich, daß vor fünfzig Jahren eine junge Eingeborene mit einem kleinen Mädchen diese Wüste zu Fuß durchquert haben sollte. Joanna befand sich in Begleitung von vier Männern, sie hatten acht Kamele, Wasser- und Lebensmittelvorräte bei sich, außerdem Gewehre, Zelte und nicht zu vergessen ihre Arzttasche und einen Kompaß. Trotz allem war das Vorwärtskommen sehr mühsam. Joanna konnte sich nur denken, daß die junge Frau und das Kind Glück gehabt hatten und bei ihrer Flucht auf Hilfe gestoßen waren.
Joanna sah, daß Sammy, der schwarze Führer, das Gewehr schulterte und mit dem Bumerang in der Hand davonging. Fielding ritt mit seinem Kamel zu ihr. Anstelle der
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