Traumzeit
Fielding: »Finden wir den Weg zurück?«
»Zuerst müssen wir feststellen, in welcher Richtung die Stadt liegt, Mrs. Westbrook. Wenn wir uns irren und die falsche Richtung einschlagen, landen wir in der Großen Victoria-Wüste, und das wäre unser sicheres Ende.«
»Was gibt es in der Großen Victoria-Wüste, Kapitän?« fragte Lisa.
»Das weiß niemand. Sie ist noch nicht erforscht. Es hat Expeditionen gegeben, aber bis jetzt ist noch keiner der Männer zurückgekommen. Ich vermute, sie ist noch sehr viel schlimmer als das, was wir in den letzten vier Wochen erlebt haben. Und das kann ich Ihnen sagen, dorthin dürfen wir auf keinen Fall geraten.«
Eric Graham ließ sein Kamel knien, stieg ab und rieb sich das wunde Gesäß. Er schimpfte leise vor sich hin. »Völlig verrückt … einfach verrückt. Der reinste Wahnsinn …«
In diesem Augenblick erschien Sammy mit strahlendem Gesicht. »Dort hinten gibt es viel Wasser, Kapitän«, er wies in die Richtung, aus der er gekommen war.
»Ist es ein großes Wasserloch?« fragte Joanna.
»Sehr groß, Missus«, erwiderte der Aborigine und breitete die Arme aus.
Gott sei Dank, dachte Joanna mit einem Blick auf ihre Begleiter. Seit sechs Tagen hatten sie keine Wasserstelle mehr gefunden. Ihre Kleider waren schmutzig, verschwitzt und die Gesichter mit einer Staubschicht bedeckt. Ihre Teller hatten sie nur mit Sand säubern können. Bei dem Gedanken an Wasser schöpfte Joanna wieder etwas Mut.
»Ich bin der Meinung, wir sollten hier unser Lager aufschlagen, Kapitän«, sagte Joanna. Wenn sie sich wirklich verirrt hatten und nicht innerhalb einer Woche nach Kalagandra zurückkamen, würde sich Hugh bestimmt auf den Weg machen und sie suchen.
»Gut, ich bin einverstanden«, Kapitän Fielding ließ sein Kamel knien und glitt mit steifen Gliedern auf den Boden.
»Kapitän Fielding«, fragte Lisa, »wie weit ist es Ihrer Meinung nach von hier bis Kalagandra?«
»Das kann ich dir nicht sagen, Kleines. Ich fürchte, wir sind in den letzten Tagen im Kreis geritten. Ich bin der Meinung, wir bleiben so lange hier, bis wir unseren Standort bestimmen können. Vielleicht klärt sich ja der Himmel in ein oder zwei Tagen auf, und wir können die Sonne wieder sehen. Es wäre zu gefährlich, einfach weiterzuziehen. Wir könnten im Handumdrehen in der Großen Victoria-Wüste landen, und dann gnade uns Gott! Dort gibt es bestimmt kein Wasser und auch nichts zu essen.«
Wie jeden Abend in den vergangenen vier Wochen schlugen sie gemeinsam das Lager auf. Sammy machte sich auf die Suche nach etwas Eßbarem, Graham und Fielding kümmerten sich um die Zelte und Lisa sammelte Feuerholz. Joanna zog sich erschöpft in ihr Zelt zurück, um sich vor dem Abendessen etwas zu erholen.
Sie entzündete die Petroleumlampe und nahm die Nadeln aus den Haaren. Sie bürstete die Haare lange und energisch durch und steckte sie sorgfältig wieder auf. Sammy hatte ihr Wasser gebracht. Damit wusch sie sich Hände und Gesicht. Dann betupfte sie sich die Stirn mit ein paar Tropfen Lavendelparfüm. Und da sie endlich eine Wasserstelle gefunden hatten, zog sie ihre letzte saubere Bluse an. Morgen, so nahm sie sich vor, würde sie waschen.
Vor dem Zelt war bereits der Tisch gedeckt. Sammy kochte, aber Joanna begutachtete wie immer zuerst alles, was sie aßen. An diesem Abend briet er Wallabyfleisch. »Es darf innen nicht mehr blutig sein, Sammy«, ermahnte sie den jungen Aborigine. Dann nahm sie die Brotfladen aus der Glut, entfernte geschickt die Asche und legte die Fladen auf einen Teller.
Sammy zog es vor, am Feuer hocken und mit den Fingern zu essen. Joanna und die anderen saßen auf Stühlen am Tisch und aßen mit Messer und Gabel. »Kapitän Fielding«, sagte Joanna, als sie alle Platz genommen hatten, »befinden sich die schwarzen Wolken, die wir seit Tagen sehen, über der Großen Victoria-Wüste und bedeutet es, daß es dort regnet?«
»Ja, es fällt auch Regen in der Wüste, Mrs. Westbrook«, erwiderte Fielding und füllte sich ein kleines Glas Rum aus der Flasche, die er als eiserne Ration mitgenommen hatte. Er warf einen wehmütigen Blick auf die fast leere Flasche und fügte dann ernst hinzu: »Aber Regenfälle sind dort selten, und wenn es regnet, dann handelt es sich meist um Wolkenbrüche mit riesigen Überschwemmungen. Wir müssen unbedingt Abstand zu diesen Wolken halten, die mir wahrlich nichts Gutes verheißen …«
»Ich meine, wenn die Wolken über der Wüste hängen, können wir
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