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Traumzeit

Traumzeit

Titel: Traumzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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hatten.
    »Lisa«, sagte Joanna, »hol uns Wasser zum Waschen. Ich gehe zu Naliandrah und werde mit ihr sprechen. Vielleicht kann sie mir sagen, was heute abend geschehen wird.«
    Naliandrah saß am Feuer, stocherte in der Glut und murmelte magische Sprüche. Sie war die weise Frau der Sippe, und zu ihr kamen alle, um sich Rat zu holen. Die Alten sprachen mit ihr von der Jagd, junge Mädchen baten sie um Liebesamulette, Frauen, die keine Kinder bekamen, atmeten den Rauch ihres Feuers in der Hoffnung ein, schwanger zu werden; an Naliandrahs magischem Feuer wurden sogar Ehen geschlossen. Sie hatte lange, weiße Haare; ihr kleiner, puppenähnlicher Körper war in sich zusammengesunken, aber ihre Augen, in denen Weisheit und Wissen war, richteten sich immer direkt und durchdringend auf jeden, der zu ihr kam.
    »Naliandrah«, Joanna setzte sich, »haben meine Tochter und ich heute abend etwas zu befürchten? Gibt es etwas, worüber wir uns Sorgen machen müssen?«
    Die kleinen tiefliegenden Augen richteten sich auf sie. Joanna konnte sie kaum sehen, aber sie spürte ihre wache Schärfe. »Du hast Angst, Jahna«, sagte die weise Frau, »du hast immer Angst.«
    Joanna hatte mit Naliandrah schon öfter versucht, mit ihr über den Grund ihrer Expedition in die Wüste zu reden. Sie hatte der alten Frau von ihrer Mutter erzählt, vom Gift-Gesang, der über sie gesungen worden war, wie Joanna glaubte, und von ihrer Ahnung, daß in Karra Karra ein Geheimnis auf sie warte. Naliandrah hatte immer ausdruckslos und mit halbgeschlossenen Augen zugehört. Und wenn Joanna schwieg, dann hatte die weise Frau nichts gesagt. Joanna wußte nie, ob Naliandrah sie überhaupt verstanden hatte.
    Zu ihrer großen Überraschung erklärte Naliandrah jetzt: »Du kommst an das Ende deines Traumpfads, Jahna – sehr bald …«
    Joanna sah sie mit großen Augen an. »Was bedeutet das?«
    »Du wirst es sehen, heute abend beim
Corroboree

    2
    Das
Corroboree
begann, als der Mond hoch am Himmel stand. Wie jeden Abend wurden die gebratenen Wallabys, Goannas, Eidechsen und Vögel, die Bienenwaben, Beeren und Wurzeln nach einem sehr komplizierten System von Prioritäten und Tabus verteilt. Niemand wäre auf den Gedanken gekommen, sich einfach das Essen zu nehmen oder darum zu kämpfen. Die Portionen wurden nach strengen Regeln zugeteilt. Der Mann, der ein Wallaby erlegt hatte, gab davon zuerst seinen Eltern und den Eltern seiner Frau, seinen Brüdern und den Männern, die mit ihm gejagt hatten. Sie ihrerseits teilten das Fleisch mit ihren Familien oder mit jemandem, dem sie etwas schuldeten. So kam es, daß manchmal nichts für sie selbst übrigblieb. Die Frauen verteilten die Dinge, die sie gesammelt hatten, entsprechend verwandtschaftlicher Bindungen, Ehebande und nach anderen Gesichtspunkten, die Joanna bisher noch nicht verstand. Die jungen Leute hielten sich sehr genau an die Tabus. Wenn ein junger Mann einen Goanna gefangen hatte, dann aß er ihn nicht selbst, sondern gab ihn seinen Eltern. Eine Frau durfte nur dann etwas von einem Mann annehmen, wenn er seine Einweihung bereits hinter sich hatte. Ein Mädchen, dessen Regel einsetzte, durfte bestimmte Dinge nicht essen.
    Trotz aller Vorschriften und Tabus war die Essensverteilung eine fröhliche, lautstarke Angelegenheit, und die ganze Sippe wurde satt und war zufrieden. Joannas Gedanken kreisten jedoch unruhig um das, was an diesem Tag so anders war. Alle waren sehr viel lauter als üblich, das Lachen klang übertrieben und zu ausgelassen. Nach der Mahlzeit stellte sie überrascht fest, daß nicht alles gegessen worden war – bei Aborigines ein sehr ungewöhnliches Verhalten. Joanna wußte, es gab Zeiten, in denen die Sippe hungern mußte, aber wenn Nahrung in großer Fülle vorhanden war, dann aßen sich alle satt, bis die Bäuche dick und voll waren. Doch an diesem Abend erlegten sie sich eine gewisse Zurückhaltung auf, und jeder behielt einen gewissen Vorrat zurück. Das hatte Joanna noch nie erlebt.
    Die Männer erhoben sich und begannen mit den Vorbereitungen zum Tanz. Joanna holte für sich und Lisa die Fellumhänge. Die Nacht war kalt, und sie wußte, der Tanz konnte bis zum Morgengrauen dauern. Sie blickte zum Mond hinauf, der wie eine glänzende Silbermünze am Himmel hing. Sie dachte an Hugh und überlegte, ob auch er gerade den Mond ansah. Befand er sich vielleicht schon in ihrer Nähe? Würde er bald kommen?
    Ehe sie zum Lagerfeuer zurückkehrte, warf Joanna wie jeden Abend einen

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