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Traumzeit

Traumzeit

Titel: Traumzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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miteinander. Neidvoll sah sie die lange, ungebrochene Kette, die sie sich schon früher vorgestellt hatte, die Kette, die von den Urgroßmüttern bis zu den Töchtern reichte. Das kleinste Kind hatte eine weißhaarige Frau vor Augen, die sich über ihren Grabstock beugte, und sah in ihr die vielen Generationen, die ihm vorausgegangen waren. Vielleicht, dachte Joanna, brauchen diese Menschen deshalb keine Worte für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, denn sie erleben das alles im Hier und Jetzt.
    Joanna blickte auf Lisa, die neben ihr stand, und wünschte, Lisa hätte ihre Großmutter Lady Emily gekannt und auch die Urgroßmutter Naomi. Lisa glich den Makepeace-Frauen, dachte Joanna. Sie hatte die dichten braunen Haare, die charakteristische hohe Stirn und lange, dichte Augenwimpern. Und sie wurde groß. Vor zwei Monaten war Lisa dreizehn geworden. Sie entwickelte sich zu einer hübschen jungen Frau. Lisa hatte wie Joanna noch die europäische Kleidung an, obwohl Rock und Bluse inzwischen schäbig aussahen. Die Haare trug sie wie die Aborigines lang und offen, und die Haut war wie die Haut ihrer Mutter von der Sonne dunkel gebräunt.
    Inzwischen war Lisa wieder stark und kräftig, aber sie hatte sich nur sehr langsam erholt. Lange befürchtete Joanna, ihre Tochter werde nicht überleben, denn sie war viele Tage ohne etwas zu essen oder zu trinken in der Wüste umhergeirrt, bevor die Aborigines sie fanden. Aber Naliandrah hatte Lisa mit ihren wunderbaren Heilkräften gerettet. Als Joanna sich nach den medizinischen Eigenschaften der Wurzeln und Beeren erkundigte, die Naliandrah ihrer Tochter zu essen gab, erzählte die weise Frau von der Regenbogenschlange, die alle Flüsse und Wasserlöcher geschaffen hatte, und von der All-Mutter im Himmel, die die Mutter von allem war. Und sie betonte, es seien die Kräfte dieser Geschöpfe, die ihre Tochter wieder gesund werden ließen, nicht die Wurzeln und Beeren. Anfangs hatte Lisa kaum genug Kraft, um zu essen, zu trinken und zu sprechen; aber nach einer Woche konnte sie sich bereits aufsetzen. Es dauerte lange, bis sie stehen und die ersten Schritte wagen konnte. Joanna und Naliandrah mußten sie stützen, als würde Lisa wieder lernen müssen zu gehen.
    Joanna fiel auf, wie nachdenklich ihre Tochter Coonawarra beobachtete. Sie dachte offenbar immer noch über das ungewöhnliche Verhalten der Frauen nach. Lachen und Späße gehörten zum täglichen Sammeln der Nahrung, aber die schrillen Rufe und das ausgelassene Tanzen verrieten, daß eine andere Stimmung herrschte als an den vorausgegangenen einhundertfünfzig Tagen, die sie nun schon bei der Sippe lebten. Die Frauen schienen innerlich sehr angespannt und aufgeregt zu sein, und deshalb klang auch ihr Lachen so schrill und so laut. Für einen Außenstehenden war das laute Kreischen wirklich beunruhigend.
    Schließlich beendeten sie die Nahrungssuche und kehrten zum Lager zurück. Joanna und Lisa mit ihren langen dunklen Röcken und weißen Leinenblusen gingen inmitten der kleineren schwarzen Frauen, die ihre Körper täglich mit Emufett und Asche einrieben und ansonsten splitternackt waren. Wie ihre Gefährtinnen trug Joanna einen geflochtenen Korb auf dem Rücken, damit sie die Hände zum Graben frei hatte. Auf dem Heimweg sangen die Frauen, denn die Goanna-Ahne hatte ihnen große Beute beschert, ebenso die Kakadu-Ahne und die Schlangen-Ahne. Und man nahm nie etwas, ohne die angemessene Dankbarkeit zu zeigen.
    Bevor sie das Lager erreichten, das neben einem Süßwasserbrunnen zwischen vulkanischen Felsen aufgeschlagen war, hörten sie die Gesänge der Männer, die sich bei dem Wallaby-Ahnen bedankten, der ihnen großes Jagdglück gewährt hatte. Coonawarra tanzte beim Gehen und redete ausgelassen. Sie freute sich auf die Mahlzeit am Abend und nahm sich vor, soviel zu essen, daß sie nie mehr Hunger bekam!
    Joanna und Lisa hatten zusammen einen Windschutz aus Ästen und Zweigen mit einer rauchenden Feuerstelle davor. An einem dicken Ast, der in der Erde steckte, hingen ihre Besitztümer. Da die Aborigines wenig materielle Dinge besaßen, hing vor den Hütten wenig mehr als ein geflochtener Korb, ein Speer, ein paar heilige Steine und Federn, um Yowie, das Nachtungeheuer, zu vertreiben. Am Ast vor ihrer Hütte, an den Joanna jetzt den Korb mit den Baumwurzeln band, hingen Kapitän Fieldings Jacke, John Makepeaces Lederbeutel und zwei Wallabyfelle, außerdem ein paar Kämme, die sie und Lisa aus Holz und Knochen geschnitzt

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