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Traurige Therapeuten: Roman (German Edition)

Traurige Therapeuten: Roman (German Edition)

Titel: Traurige Therapeuten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingomar von Kieseritzky
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und verkriecht sich danach in seinem Zelt.
    Musik, fragte ich.
    Tja, sagte sie, schon … er hört immer die Mädchengruppe Baccara –
    Zwei seien noch keine Gruppe, sagte ich –
    – und immer denselben Mist: Yes Sir, I can boogie.
    Im Zelt wurde es dunkel – die Notbeleuchtung flackerte.
    Könnte ich, fragte ich –
    Nein, sagte Anita, besser nicht, denn jetzt träume er multipolar – eine Gruppe Eisbären attackiert ein Rudel Löwen.
    Lassen Sie uns gehen, sagte ich resigniert; ich war knocked out.
    In der Retrospektion – Besuchsrunde und Exkursion bei alten Freunden, Geschäftspartnern, Therapeuten, Heilpraktikern, Internisten und zu anderen Methoden konvertierten Analytikern – gehört die Visite der Praxis Horak zu den schönsten Erlebnissen. Freilich, der Laden lief nicht gut trotz beherzter Diversifikationen, wie Frau Horak im Schlummerraum III (Vögel) sagte.
    Die Idee, nur moribunde Tiere zu behandeln, war so fruchtbar nicht, obwohl Borst sie alle in anrührende Dermoplastiken verwandelte; der Ausdruck ‹ausstopfen› war verpönt.
    Borst, sagte mir die Horak vertraulich, fühle sich ein in die betrübte Seele der trauernden Besitzer, mache es sich dort während der gemeinsamen Trauerarbeit heimisch und kriegte dann, dermoplastisch gesehen, jede Pose des Lieblings hin, die gewünscht wurde.
    Nur ein Beispiel, sagte Anita, ein Graupapagei bekam einen Herzinfarkt beim Sekundentod seines Weibchens. Borst hat Hugo, so hieß der Papagei, auf den Ast fixiert, von dem er tot herabgefallen war; in der linken Kralle hielt er sein kleines Herz, der Schnabel war halb geöffnet und das Auge weh – dieser Ausdruck, sagte Anita, hatte Ausdruck und Seele, was nicht das Gleiche sei.
    Sie zeigte mir das Exponat; in der Tat, der Eindruck war gewaltig. Leider hatte der Besitzer das teure Tier nicht abgeholt und auch nicht die Trauer-Exploration bezahlt.
    Und das passiere dauernd, sagte Frau Horak. Wir saßen jetzt im Schlummerraum IV für Katzen.
    Liebe Anita, fragte ich, wie sieht der normale Geschäftsbetrieb aus, wenn er mal erfolgreich ist?
    Ich, sagte Frau Horak, nehme alle Kleintiere, gesunde, verstörte oder moribunde, und heile sie, so gut es geht.
    Welche Methode? fragte ich. Methoden sind immer wichtig und nützlich.
    Methode Precourt, sagte Frau Horak, Philosoph, Freund von Descartes, den er 1637 in Leiden kennenlernte, eine kurze und feindliche Begegnung. Als Descartes in Stockholm bei der Amazone Christine an einem Infekt verschied, der eine resultierte Selbsttäuschung –
    Wir waren, liebe Anita, bei Monsieur Precourt.
    Der Result bei Philosophen sei wichtig, sagte Anita.
    Eine rätselhafte, extrem gebildete Frau, diese Frau Horak, begabt mit analytischem Vermögen und einem Begriffsregister, das selten vorkommt – und dabei so trinkfest wie keine Zweite.
    Wie sah denn der oder das Result, was immer das sein mag, bei Precourt aus?
    Klar und distinkt, sagte sie. In seiner Seelenkunde der Höheren Tiere beweist mein Precourt unmissverständlich, dass alle Tiere Schwestern und Brüder der Menschen sind und eigentlich nur beschädigte Reinkarnationen und keine Mechanismen ohne Schmerzempfinden.
    Wessen, fragte ich zu recht, Reinkarnationen?
    Das erfuhr ich leider nie, weil Borst im Flur auftauchte, der vom Labor in den Haupt-Trakt führte, in der linken Hand eine tote Stockente am Hals.
    Sie kriegte die Kurve nicht mehr, sagte er, fixierte mich und blieb stehen: Sie sehen aus wie Stan Laurel, erste Klasse.
    Nach einem hungrigen Blick verschwand er in einem der vielen Zimmer. Schade, er erkannte mich nicht.
    Als Objekt haben Sie nicht missfallen, sagte Frau Horak, Borst träumt als Taxidermist vom Menschen als dermoplastischem Kunstwerk.
    Konnte man ihm nicht verdenken.
    Muss wieder ins Zelt, sonst flippt unser Curtius aus, wenn er seine Ölsardinen nicht pünktlich bekommt …
    Grüßen Sie ihn, sagte ich, grüßen Sie alle … Meinem Freund Curtius wünsche ich Glück für sein Stück über die Südpolforscher – ein gewaltig kaltes Thema, aber auch heiß durch Liebe und Betrug, Tod und Ölsardinen. Besorgen Sie ihm ein Eskimomädchen. Das muss nach Tran riechen und antarktischer Freiheit.
    Ich weiß ja nicht, sagte Frau Horak, was Sie so alles als Heilpraktiker angestellt haben, aber Sie sind immer noch ein guter Therapeut. Servus.
    Grüßen Sie auch Borst, sagte ich; hoffentlich macht er noch seine symbolische Trap-Art mit Mäusen und Fröschen … das platonische Gleichnis, Sie erinnern sich.
    Das

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