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Traurige Therapeuten: Roman (German Edition)

Traurige Therapeuten: Roman (German Edition)

Titel: Traurige Therapeuten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingomar von Kieseritzky
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abholen.
    Danke, sagte ich, und wir stopften Kater Yorick in den Katzenkorb, in dem er sofort verschwand.
    Man sollte ihn kastrieren lassen, sagte Beatrice.
    Ja, sagte ich, warum nicht, Kastrationen bereinigen das Feld.
    Melden Sie sich, sagte die Notärztin, Sie sind ein leptosomer Zwerg, aber gar nicht so dumm wie die meisten Männer.
    Gern, sagte ich, nach der Kastration.

84 Nichts auf der Welt geht über eine waschechte, wasserdichte, kohärente und realitäts-resistente Wahnvorstellung; in jeden Wahn, den ich zu meiner Freude kennenlernen durfte, hatte ich mich schnell eingelebt.
    Bei einer Flasche Champagner – wegen des würdigen Anlasses ein Roederer cristal – und Keta-Kaviar auf Toast überdachte ich diesen schönen Tag.
    Ich trank auf Aram Schlitz, auf die Tiere der Singramschen Arche, auf Kater Yorick, der auf Frau Dr. Margotis Schoß seine Liebes-Lypemanie vergessen durfte, ich trank auf Melmoth und Yvette, auf den Ara Wright; vielleicht lernte er im Paradies der Papageien nagelneue Schimpfwörter, ich trank auf die Geister der toten Kakerlaken und endlich auf Curtius – als Dr. Knock und Mr Scott –, den Südpol und auf die Schamanin Horak; hoffentlich steigt die Zahl ihrer schadhaften Kundschaft.
    Ich glaube, dass Franz Curtius in seinem Zelt, umtost von antarktischen Stürmen vom Band, ein glücklicher Mann war, und blätterte in meinen Notizen mit Fallstudien.
    Kontrolliert man die Vergangenheit, wirft sie manchmal ein angenehmes Licht auf die aktuelle Zeit; so war’s auch an diesem Abend.
    Der erste Fernlehrgang lag hinter mir, ehe ich dann notgedrungen auf die Tierheilkunde per Fernkurs II umsattelte, Menschen gaben mir nicht so viel –, da rief mich eines Tages ein älterer Herr an – er hatte meine Annonce im Boulevard-Blatt entdeckt und bat um einen Besuch.
    Ich machte gern Privatbesuche; ab und zu ergaben sich überraschende Bekanntschaften mit tierischen Hausgenossen.
    Der Herr hieß Blunz und war, wie ich später erfuhr, ein bekannter Goethe-Forscher. Als er mir die Tür öffnete, zitterten seine Hände, er war ca. 80 Jahre alt, ein kleiner Greis mit bleichem Teint, gelben Augen (Hepatitis?) und dürftigen Strähnen auf dem hageren Schädel.
    Blunz hatte sich zu seinem 60. Geburtstag drei südamerikanische Fransenschildkröten geschenkt, die aussehen wie überdimensionierte Austern auf vier Beinen; der Panzer ist so groß wie eine Salatschüssel, voller Buckel und Berge, zerklüftet wie ein Hochgebirge, sehr sonderbare Amphibien, aber sie schienen nicht das Problem. Klaustrophobie, das war’s. Ein wirklich interessanter Fall; ich war entzückt.
    Er führte mich in ein großes Zimmer, in dem drei der riesigen Schildkröten träge herumkrochen.
    Mutter, Vater und Onkel, sagte Blunz mit matter Stimme. Er war Österreicher und sprach ein weiches Honoratioren-Wienerisch, wie ich’s mag.
    Herrliche Tiere, sagte ich, woran leiden sie?
    Die nicht, sagte Blunz, ich leide.
    Sein Tremor sei ein Zeichen, sagte ich.
    Wie bitter wahr, sagte Blunz, es seien allemal herrliche Tiere, aber ihre Population überschreite jedes Maß – und er zeigte mir in den anderen Zimmern, inklusive Bad und Schlafzimmer, die Resultate dieser behaglichen Wohngemeinschaft. Überall krochen vorpubertäre, adoleszente und schon reifere Fransenschildkröten herum. Es roch stark nach Seetang.
    Sie sind, sagte der Goetheforscher, in der Überzahl.
    Wie viele es denn seien?, fragte ich.
    Er habe schon lange keine Volkszählung mehr veranstaltet, sagte Blunz, und jeden Überblick verloren.
    Schauen’S, sagte er kummervoll, der Wolfi zeugte mit der Christiane 16 Eier – 15 gingen ein wegen eines Wasserschadens; sehen Sie die vielen flachen Bassins? Was ich schon an Wasser-Kosten hatte, Sie können’s sich nicht vorstellen … Gottlob hab ich eine hohe Prämie für die Haftpflicht… na, und dann zeugte August mit Ottilie wieder Eier, die leider alle gediehen, es waren wieder 16 Stück.
    Eine magische Zahl, sagte ich.
    Kann man wohl sagen, erwiderte Blunz.
    Und jetzt, jetzt fühle ich mich bedrängt von Panzern, Höckern, den Geräuschen der zwei Krallen der Vorder- und den drei Krallen der Hinterfüße, ihrem maßlosen Appetit … also der ganzen Präsenz. Täglich müssen sie abends in ihre Bassins, tags hiev ich sie wieder heraus. So ein Tier wiegt so viel wie ein Kasten Bier … Sie stehen da so in einer Pfütze, wollen Sie eines, in den Bierkästen transportiere ich die Biester immer.
    Ich nahm an, und wir setzten

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