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Traurige Therapeuten: Roman (German Edition)

Traurige Therapeuten: Roman (German Edition)

Titel: Traurige Therapeuten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingomar von Kieseritzky
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Sahnemeerettich, um trübe Impressionen – Leben, Liebe und Tod – in Schach zu halten; fragte bei der Witwe nach Kater Yorick – immer noch auf Exkursion oder ausgewandert oder überfahren – und fuhr in mein leeres Domizil; um 18 Uhr rief die Notärztin an, sie wolle ihr Notizbuch abholen. Das tat sie dann auch und betrat den Dachboden mit dem Kater im Arm.
    Ihr Tier?, fragte sie.
    Ja, sagte ich, Tag, Yorick.
    Schönes Tier, sagte sie.
    Wein, Lachs, Dosenbier, sagte ich.
    Keine Zeit, sagte die schöne Frau. Ihre braunen Augen ruhten mit Wohlwollen auf dem Kater, der es sich auf ihrem Arm bequem machte, als sie im Ohrensessel saß, die X-Beine nebeneinander, schmiegte der blöde Kater seinen dicken Schädel in ihre Hände, stieß hin und wieder ein beseeltes Meng oder ein aggressiv-zärtliches Miaoh oder Mau aus und benahm sich schamlos. Wäre gern an seiner Stelle gewesen. Yorick rieb seine braune Nase an ihren kleinen Brüsten unter der bestickten Seidenbluse, schnurrte wie ein Verrückter und schien außer sich vor Liebesekstase und hielt die Fahne oder Rute so steil erhoben, dass sein rosiges Rektum zu sehen war.
    Süßes Tier, sagte Beatrice, wohl rollig, wie.
    In der Tat, sagte ich, das kann man wohl sagen, irgendwie schon … Auf seine Weise … die Natur … der Frühling … die Eindrücke auf dem Friedhof –, und während ich den Wein öffnete, stammelte ich weiter dummes Zeug.
    Muss gleich weiter, sagte sie, ab 20 Uhr Notdienst.
    Wer ist nicht in Not, sagte ich. Weiß heute nicht mehr, warum ich nicht inspirierter war. Auf der Unterlippe, ungeschminkt, bemerkte ich einen kleinen Fleck, vielleicht ein Herpes-Bläschen im Vorstadium. Bei Patienten holt man sich viel. Schon der Anblick genügt manchmal. Ich sah auf ihre aquiline Nase und in ihre braunen Augen, die da schimmerten, wie Liebende zu sagen pflegen; ach, die Poesie.
    Am meisten erregte mich der kleine dunkelrote Punkt auf der Unterlippe. Ich erinnerte mich an eine Geschichte von Tombari, in der sich ein junger Eichkater in ein Eichkätzchen verliebte, weil es ein ‹schlechtes Zähnchen› hatte, und meine Liebe wuchs. Wann ich ihre linke Hand ergriff, weiß ich nicht mehr. Es war jedenfalls der falsche Zeitpunkt; das meiste im Leben passiert zu falschen Zeit-Punkten.
    Yorick versetzte mir einen Tatzenhieb, der sich gewaschen hatte, wie man unter Kennern sagt. Ich gab ihm eine leichte Ohrfeige. Beatrice, sagte ich, ich muss Ihnen etwas sagen.
    Beatrice hörte nicht zu, sie leistete Samariterdienste am geilen Kater.
    Armes Tier, sagte sie. So ein Herrchen. Schlägt Katzen – er ist wohl eifersüchtig.
    Ich hatte Terrain gewonnen.
    Eifersucht zwischen Konkurrenten ist ein gutes Thema.
    Pardon, sagte ich, ich bin eifersüchtig auf den verdammten Kater.
    Immer diese Verwechslungen, sagte die Notärztin.
    Frau Dr. Beatrice Margoti, sagte ich, ich liebe Sie.
    Yorick glotzte mich mit seinen gelben Augen – starr wie Murmeln – an und leckte Beatrice unter dem Kinn. Sie kicherte klangvoll. Der Scheiß-Kater lag an ihren Brüsten und simulierte den Milchtritt.
    Urgroßvater Iron hätte ihn abgeschoben oder auf andere Weise eskamotiert und der gute Edward ihn mit einem Harem rolliger Katzen versorgt; ich aber hatte keine in petto.
    Max Singram hätte ihn gemalt auf dunkler Grundierung und sein meliertes Monokel mit einem Gloss-Effekt versehen – falscher Ausdruck –, aber der exakte fiel mir schon damals nicht ein. Mein idiotischer Kater, Pardon, Yorick, der du nun schon lange unter der Erde liegst, hatte einen irren Ausdruck in den Augen, wie ein besoffener Mönch bei dem Mysterium tremendum kurz nach einer Erscheinung.
    Muss jetzt gehen, sagte die Dame.
    Yorick war bestürzt; muss das sein, sagten seine gelben Augen unter den spärlichen Augenwimpern, bleib hier, ich werde dich lieben bis in alle Katzenewigkeit, mein Glied ist klein, aber dein, oh lass uns ewig –
    Einen Kuss bitte, sagte ich an der Tür.
    Ach, mein lieber Arthur Singram, was muten Sie mir zu, sagten die weichen Lippen mit dem potentiellen Herpes, – überlegen Sie mal, was bei einem Kuss alles passieren kann –
    Gern, sagte ich, für Sie immer –
    Streptokokken, apathogene Neisserien, Staphylokokken, Milchsäurebakterien und andere anaerobe Kokken und Stäbchen…
    So ging auch diese Liebesgeschichte in die Binsen.
    Nehmen Sie bitte den Kater mit, sagte ich, sonst hätte ich in der Nacht keine Ruhe.
    Nur in Pension, sagte die schöne Ärztin, Sie dürfen ihn bald

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