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Traveler - das Finale

Traveler - das Finale

Titel: Traveler - das Finale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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Leiter zum Abflussrohr hinunter. Sie benutzte den Bolzenschneider, um das verrostete Vorhängeschloss an dem Gitter zu entfernen, mit dem das Rohr gesichert war, dann betrat sie den Abflusskanal. Mother Blessing hatte immer gesagt: Zuerst die Waffen. Der Rest steht an zweiter Stelle. Maya hatte sich zwei Messer an die Unterarme geschnallt; nun zerrte sie den Rucksack nach vorn und zog ihr Schwert und die Pumpgun heraus, die an einem Trageriemen hing. Sie befestigte den Schwertköcher seitlich am Rucksack und schlang sich den Flintenriemen um den Nacken. Zum Schluss nahm sie eine Hochintensitätsleuchte heraus und legte den Schalter am Netzteil um.
    Maya inspizierte den Abwasserkanal, indem sie die Leuchte hin und her schwenkte. Sie hatte sich auf eine große Betonröhre gefasst gemacht, aber der River Fleet rann durch einen knapp drei Meter hohen, gewundenen Ziegeltunnel mit ebenem Boden und gewölbter Decke. Obwohl viele Einwohner der Stadt täglich mit der Tube zur Arbeit fuhren, machten sie sich um die unterirdische Architektur kaum Gedanken. Der River Fleet hatte London in Zeiten des Aufruhrs durchflossen, während der Kriege und des großen Brandes im Jahr 1666. Er hatte zu Shakespeares Zeiten und während der römischen Epoche existiert. Vielleicht war über ihn das Wasser der schmelzenden Eiszeitgletscher abgeflossen. Aber heute war all das längst vergessen und der Fluss eingekerkert. Der untere Teil des Tunnels war mit Algen bewachsen, der obere von einer weißen Kruste überzogen, die Maya an Zahnpastareste in einem Waschbecken erinnerten.
    Sie stand in knietiefem Wasser und wagte den ersten
Schritt. Die Wasseroberfläche kräuselte sich, und kleine Wellen schlugen an die Tunnelwände. Am Boden des Tunnels mischten sich Schlamm und Kies, und als sie gut fünfzehn Zentimeter tief einsank, wurde Maya klar, dass der Marsch zum Ludgate Circus mehr Zeit und Kraft kosten würde als geplant.
    Ihr Schatten huschte über die Wände, als sie durch den Tunnel watete. Zehn Minuten später entdeckte sie den Schein der grünen Taschenlampe in einem Schacht über sich. Wenigstens war sie in der richtigen Richtung unterwegs. Etwa zwanzig Meter hinter dem Licht verzweigte sich der Tunnel. Maya zog eine Farbdose heraus und sprühte eine Raute an die Wand. Sie entschied sich für den Wasserlauf, der ihr stärker erschien, und bog nach links ab.
    Das weiße Licht am Blackfriars Pub war nirgends zu sehen, trotzdem lief Maya weiter. Der Tunnel wurde kleiner und war jetzt noch knapp einen Meter siebzig hoch, so dass Maya mit dem Helm an die raue Ziegeldecke stieß. Auf einmal entdeckte sie Glasfaserkabel, die mit Klammern unter der Tunneldecke befestigt waren. Die Kommunikationsunternehmen, die die Stadt ans Internet anschlossen, hatten eingesehen, dass es Millionen Pfund kosten würde, die Straßen aufzureißen. Irgendwie hatten sie es geschafft, sich bei der Stadtverwaltung den freien Zugang zum River Fleet genehmigen zu lassen. Maya fragte sich, ob auch die anderen vergessenen Flüsse inzwischen verkabelt waren.
    Auf dem Weg war sie an mehreren Abwasserbecken vorbeigekommen. Hinter einem Rechtsknick bemerkte sie einen besonders stechenden Geruch. Öl. Frittierfett. Sie befand sich unter einem Restaurant, das seinen Müll direkt in den Fluss kippte.
    Eine Ratte – vom Kopf bis zur Schwanzspitze fast zwanzig Zentimeter lang – flitzte über den Ziegelboden. Während der Küchengeruch zunahm, zeigten sich immer mehr Ratten,
und Maya wurde übel. Einige von ihnen flüchteten, sobald sie das Licht sahen, andere blieben wie erstarrt am Rand des gewundenen Tunnels sitzen. Im Schein der Lampe leuchteten ihre Augen wie rote Knöpfe. Der Tunnel knickte nach links ab, und als Maya die Biegung hinter sich gebracht hatte, sah sie Hunderte von Ratten an den Wänden hängen. Ihre Lampe verursachte eine Massenpanik, und manche Ratten sprangen ins Wasser, um sich unter schrillem Quietschen ans andere Ufer zu retten.
    Die Strömung trieb ihr die Ratten entgegen. Der Wasserpegel war gestiegen und reichte ihr bis an die Hüfte, und deutlich konnte sie die spitzen Schnauzen und dünnen Schwänze der Nagetiere erkennen. Maya zog ihr Schwert und schlenzte die Ratten damit beiseite. Der Fettgeruch war inzwischen unerträglich. Ein Wassertropfen landete auf ihrer Stirn. Nicht den Mund oder die Augen berühren , dachte sie. Du trägst ein Kind in dir, es wächst in deinem Körper.
    Zwanzig Schritte weiter waren die meisten Ratten verschwunden.

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