Traveler - das Finale
Während Maya entschlossen voranwatete, huschten die letzten Nachzügler davon. An der nächsten Gabelung entdeckte sie das blaue Licht, wusste aber nicht, welchen Weg sie einschlagen sollte. Sie entschied sich für rechts und war erleichtert, kurz darauf das rote Licht zu sehen.
Wie weit noch bis zum Evergreen-Gebäude? Dreißig Meter? Vierzig? Maya watete weiter, bis sie zwei Glasfaserkabel entdeckte, die aus einem Wartungsschacht unter der Decke in den Tunnel mündeten. Das Rohr hatte einen Durchmesser von einem knappen Meter und war mit einer Art Stahlklappe gesichert. Als Maya dagegenklopfte, hörte sie ein hohles Geräusch.
Das Wasser umspülte sie, und an der Anglerhose klebte weißer Schaum. Maya lud die Pumpgun mit Schrot, wobei sie sich Mühe geben musste, auf dem glitschigen Tunnelboden nicht auszurutschen. Dann richtete sie die Waffe auf die
Stahlplatte und schoss. Der Knall hallte durch den Tunnel und war so laut, dass Maya beinahe hintüberkippte. Die Munition hatte ein fünfzehn Zentimeter breites Loch in die Platte gerissen, und Maya benutzte den Bolzenschneider, um die Ränder aufzubiegen.
Schweiß bedeckte ihr Gesicht, und sie versuchte, nicht in Panik auszubrechen, als er ihre Lippen berührte. Nachdem sie ihre Waffen verstaut hatte, befestigte sie den Rucksack an einem Nylonstrick, den sie sich um die Schultern schlang. Sie packte eines der Glasfaserkabel und begann, sich hinaufzuziehen, während der Rucksack unter ihr baumelte. Der Strick schnitt ihr ins Fleisch, und das Gewicht des Rucksacks zog sie herunter, trotzdem kletterte sie weiter, bis sie einen kleinen Schaltraum erreicht hatte. Der Flintenschuss war ohrenbetäubend laut gewesen, und womöglich hatte irgendein Sensor das Geräusch aufgezeichnet. Vielleicht hatten die Wachmänner sie gehört und erwarteten sie schon.
Maya holte tief Luft und trat die Tür ein.
EINUNDDREISSIG
M aya fand sich in einem Kellerraum voller ausrangierter Schreibtische und an den Wänden aufgestapelter Stühle wieder. Sie knipste ihre Stirnlampe an, durchquerte den Raum und inspizierte den Sicherungskasten. An der Abdeckung klebte ein Wartungsschein, der die Adresse des Gebäudes verriet: Limeburner Lane 41. Ihre Müdigkeit verflog, und sie musste lächeln. Nora Greenall hatte Recht: Es gab in London keinen Ort, der nicht über die vergessenen Flüsse zu erreichen wäre.
Sie öffnete den Reißverschluss des Rucksacks, holte ihre Ausrüstung heraus und warf die Anglerhose in den Schaltraum. Die Free Runner hatten sie mit einem rosa Kittel mit Firmenlogo, Putzmitteln und einem Eimer ausgestattet. Während sie in den Kittel schlüpfte, spielte sie mit dem Gedanken, die vier Wachen direkt anzugreifen, aber dann verwarf sie die Idee und verstaute Schwert und Pumpgun im Rucksack.
Ihr Verstand schaltete in den Harlequinmodus um, als sie den Keller verließ und eine kurze Treppe hinaufstieg. Am oberen Absatz befanden sich zwei Türen, eine mit einem Vorhängeschloss und eine andere mit einem Schild: WARTUNGSRAUM. Maya schnitt das Schloss ab, steckte es in die Vordertasche ihrer Jeans und betrat die Feuertreppe des Gebäudes. Erobere den Gipfel, hatte Sparrow in seiner Meditationsanleitung geschrieben. Es kämpft sich leichter bergab als bergan.
Als Maya im vierten Stock angekommen war, stieß sie die Tür auf und trat in einen Vorraum mit Aufzügen. Hinter einem Tresen saß ein untersetzter Wachmann, der ein Männermagazin
in den Händen hielt. Mayas unvermittelter Auftritt hatte ihn erschreckt.
»N’Abend«, sagte Maya mit übertriebenem Ostlondon-Akzent. »Wo soll ich mit dem Putzen anfangen?«
Der Wachmann ließ das Magazin unter einer Zeitung verschwinden. »Wer zum Teufel sind Sie?«
»Die Putzfrau ist krank geworden. Ich bin Leila.« Sie zeigte auf ihren rosa Kittel. »Von den Flotten Fegern .«
»Der Zugang zu dieser Etage ist beschränkt. Sie putzen hier nicht.«
Es war wichtig, dem Mann näher zu kommen – bis auf Messerreichweite. Lächelnd ging Maya auf den Tresen zu. »Tschuldigung! Ich habe mit dem Wachmann unten gesprochen, und er hat gesagt, ich soll einfach die Treppe raufgehen.« Neben dem Tresen blieb sie stehen. »Bitte sagen Sie meinem Chef nichts davon, falls ich etwas falsch gemacht habe. Ich arbeite erst seit drei Tagen für die Firma. Hab keine Lust, gleich schon wieder gefeuert zu werden …«
Der Wachmann musterte ihre Brüste und grinste. »Keine Sorge. So ein hübsches Mädchen darf sich alle möglichen Fehler
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