Traveler - das Finale
schwenkte ein Stück zur Seite und gab einen weiteren Schuss aus kurzer Distanz ab. Die Brust des zweiten Söldners schien zu explodieren, und Blut spritzte auf die Wandkacheln.
Maya wischte die Pumpgun mit dem Putzkittel ab und warf sie zu Boden. Sie ließ die beiden Leichen liegen und schlenderte langsam zum Bahnsteig. Alice stand immer noch dort, mit geschlossenen Augen und geballten Fäusten.
Als Maya ihr über den Kopf strich, öffnete sie die Augen. »Du hast geschossen.«
»Das stimmt.«
»Was ist passiert?«
Die Luft bewegte sich, so als atme die Erde selbst auf, und dann donnerte der Zug in den Bahnhof. Maya kehrte der Überwachungskamera über dem Bahnsteig den Rücken zu und nahm Alice’ Hand.
»Wir sind in Sicherheit«, sagte sie, »aber wir dürfen hier nicht bleiben.«
ZWEIUNDDREISSIG
G abriel und sein Vater saßen auf einem der obersten Balkone des Häuserturms. Am Morgen waren sie den Berg hinaufgestiegen und hatten grüne Beeren von den Gebirgsbüschen gepflückt. Matthew benutzte die Solaranlage, um Wasser zu erhitzen und aus den Beeren einen Tee zu kochen. Das Gebräu schmeckte scharf und säuerlich, aber es passte gut zur kalten Gebirgsluft und dem hellen Sonnenlicht.
Nach tagelangen Gesprächen war in das Verhältnis zwischen Vater und Sohn eine gewisse Ruhe eingekehrt. Ein jeder nahm den anderen auf unvoreingenommene Weise wahr, und manchmal reichte ein Lächeln oder ein kurzes Lidzucken, um komplizierte Gefühle auszudrücken. Sein Vater erinnerte Gabriel an die Skulpturen des Bildhauers Alberto Giacometti. Der Italiener hatte aus Draht und Ton ein Pferd, einen Hund oder einen Menschen nachgebildet und anschließend jedes unnötige Detail entfernt, bis schließlich nur noch die reine Form erhalten blieb. Matthew Corrigan hatte einen ähnlichen Prozess durchlaufen. Sein Gesicht war hager und knochig, seine Kleidung hing lose an seinem Körper herunter. Wie Giacomettis Figuren war auch er von allem Ballast befreit. Er hatte den Stolz und die Eitelkeit abgelegt, die die Menschen in der Vierten Sphäre wie einen Schutzschild vor sich hertrugen.
Matthew nahm eine aus dunkelgrünem Stein geschnitzte Schale und goss Tee hinein. »Du siehst heute Nachmittag sehr nachdenklich aus.«
»Ich frage mich, wozu die Parallelwelten existieren. Gibt es nur sechs Sphären?«
»Selbstverständlich nicht. Der Verbund der sechs Sphären ist lediglich ein Abbild der menschlichen Welt.«
»Und wenn es auf Alpha Centauri andere Lebensformen gibt?«
»Dann würde ich annehmen, dass diese Wesen über eigene Sphären verfügen. Die Zahl der Parallelwelten ist unendlich.«
»Was ist mit den Göttern und den Halbgöttern? Haben sie die Welt erschaffen?«
»Nein, diese Macht besitzen sie nicht. Der Schöpfer hat viele Namen, Aristoteles nannte ihn den ›unbewegten Erstbeweger‹ – ein ewiges, unteilbares Wesen. Die Halbgötter aus der Fünften Sphäre haben damit nichts zu tun. Ich betrachte sie als ›böse Engel‹ im Widerstreit mit den ›guten Engeln‹, die hier in der Goldenen Stadt gelebt haben.«
»Aber warum haben die guten Engel die Goldene Stadt errichtet?«, fragte Gabriel. »Diese Häuser wurden doch zu einem bestimmten Zweck gebaut.«
»Erzähl mir, was du gefühlt hast, als du durch das erste gelaufen bist.«
»Zuerst dachte ich, ich sitze in der Falle, aber dann habe ich gemerkt, dass das Gebäude leer ist.«
»Ja. Es kommt einem vor wie ein riesiges Museum ohne Wärter – und ohne Besucher.«
»Ich habe mich ein bisschen umgesehen, konnte aber keine Abkürzungen oder Geheimtreppen finden. Also musste ich durch jeden einzelnen Raum, um auf die zweite Terrasse zu kommen.«
»Und dann hast du das nächste Gebäude betreten …«
»Dort war es dasselbe. Es gab nur einen einzigen Weg hindurch.«
»Hast du dir die Wandbilder und Objekte angesehen?«
»Ein paar davon. Aber irgendwann wollte ich einfach nur weiter ins nächste Stockwerk.«
»Ich habe genauso reagiert«, sagte Matthew. »Und dann kam das dritte Gebäude.«
»Die Treppen und Korridore zweigten in alle möglichen Richtungen ab. Es gab Sackgassen und fensterlose Zimmer. Ich habe mich ein paar Mal verlaufen.«
»Das muss sehr enttäuschend gewesen sein.«
»Ja, keine Frage.«
»Und beängstigend.«
»Manchmal.«
»Hast du dich angesichts deiner Angst und Enttäuschung in die anderen Gebäude zurückgewünscht?«
»Eigentlich nicht. Ich hatte mich verlaufen, aber wenigstens war es nicht langweilig.«
Matthew
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