Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Traveler - das Finale

Traveler - das Finale

Titel: Traveler - das Finale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
Vom Netzwerk:
Welt zurück.«
    »Ich verstehe. Du liebst einen Menschen aus der Vierten Sphäre, und du machst dir Sorgen um die vielen anderen, deren Freiheit auf dem Spiel steht.«
    »Was soll ich ihnen sagen?«, fragte Gabriel. »Wie kann ich sie überzeugen, sich vom System loszusagen?«
    »Anders als ich bist du ihnen noch verbunden. Anstatt sie von irgendetwas zu ›überzeugen‹, solltest du dich den Fragen in deinem eigenen Herzen zuwenden.«
    »Ich bin kein Gott. Ich weiß die Antworten nicht.«
    »Das ist ein guter Anfang!« Matthew lächelte. In diesem Augenblick sah er dem Vater ähnlich, der Drachen für seine beiden Söhne gebaut und zugesehen hatte, wie die zerbrechlichen Gebilde sich über die Baumwipfel erhoben. »Sieh hinaus, Gabriel. Bei Sonnenuntergang ist die Stadt besonders schön. Die goldenen Türme werden nicht mit Energie versorgt, aber sie reflektieren das Sonnenlicht.«

DREIUNDREISSIG
    W äre an diesem Nachmittag ein in Los Angeles ansässiger Physiker durch den Mar Vista Park geschlendert, hätte er ein klassisches Beispiel für die so genannte Brown’sche Molekularbewegung beobachten können. Die Kinder hüpften auf unvorhersehbare Art durch den Park und bewegten sich wie Blütenpollen in einer Flüssigkeit, die aufeinander zutreiben und sich dann wieder voneinander entfernen. Ein himmlischer Beobachter wäre vielleicht zu dem Schluss gekommen, diese Lebenspartikel verhielten sich wie Elektronen bei einem Zufallsspiel.
     
    Die Erwachsenen, die neben dem Spielplatz auf der Bank saßen, sahen jedoch kein Chaos, sondern eine ewige Abfolge von Ursache und Wirkung. Shawn hatte Durst und rannte immer wieder zu seiner Mutter zurück, um einen Schluck Apfelsaft zu trinken. May Ling spielte mit Jessica und Chloe, zwei gemeinen Mädchen, die sie abwechselnd einbezogen und dann wieder ausgrenzten. Auch die Anordnung der Erwachsenen folgte einem Gesetz. Östlich vom Spielplatz saß eine Gruppe älterer Chinesen, die stolz ihre Enkelkinder beim Herumtollen beobachteten; auf der gegenüberliegenden Seite hielten sich mexikanische Kindermädchen mit teuren Buggys auf, um in ihre Handys zu plappern oder sich auf Spanisch mit der Sitznachbarin zu unterhalten.
    Ana Cabral hielt sich von beiden Gruppen fern. Sie stammte nicht aus Mexiko, sondern aus Brasilien, und die Kinder, die sie beaufsichtigte, waren ihre eigenen – der achtjährige
Roberto und sein vier Jahre alter Bruder Cesar. Ana war eine zierliche Frau mit großer Handtasche. Vormittags arbeitete sie in einem Laden für Klempnereibedarf. Obwohl sie keinen übervollen Kleiderschrank besaß, trug sie neue Turnschuhe, und das blaue Band in ihrem Haar war farblich auf ihre Bluse abgestimmt.
    Gerade schob der kleine Cesar seinen Mülllaster durch den Sand, und ihre einzige Sorge war, der ältere Bruder könnte ihm das Spielzeug aus der Hand reißen. Roberto war ein Problemfall. Ein hyperaktives Kind, das mit geballten Fäusten auf die Welt gekommen war. Aufgrund der Luftverschmutzung litt er an Asthma, und für Notfälle trug Ana das Inhaliergerät ständig in ihrer Handtasche bei sich.
    Roberto brauchte das Herumtollen mit anderen Jungs, aber am sichersten fühlte Ana sich, wenn sie zuhause und alle Türen geschlossen waren. Im Laufe der letzten Wochen waren in Kalifornien zwölf Kinder von Spielplätzen und Schulhöfen verschwunden. Die Polizei in San Francisco behauptete, einen Verdächtigen gefasst zu haben, aber erst vor zwei Tagen war in San Diego ein kleines Mädchen namens Daley McDonald aus dem elterlichen Garten verschwunden.
    Nichts Negatives denken , sagte Ana zu sich selbst. Victor hat Recht. Du machst dir zu viele Sorgen. Sie warf einen Blick in ihre Handtasche und vergewisserte sich, dass das Inhaliergerät noch darin lag, bevor sie sich auf der Bank zurücklehnte und den Tag zu genießen versuchte. Ein blondes Mädchen in einem rosa Overall beobachtete, wie Cesar mit dem Laster spielte, während Roberto bäuchlings auf einer Schaukel hing und so tat, als könne er fliegen. Ana hörte den Verkehrslärm in ihrem Rücken und das Geschnatter der Kindermädchen. Wäre sie jetzt in Brasilien, würde sie jede der Frauen kennen und ihre jeweiligen Familiengeschichten noch dazu. Das war das Schlimmste an Los Angeles – nicht die Gangs und die Sprachschwierigkeiten, sondern die Tatsache, inmitten von Fremden zu leben.

    Im Mar Vista Park gab es Picknickplätze und Kiefernwäldchen. Das milchige Sonnenlicht über Los Angeles verlieh der Landschaft ein

Weitere Kostenlose Bücher